Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. Mai 1977 Elisabeth Käsemann in Buenos Aires ermordet

Hätten deutsche Diplomaten Elisabeth Käsemann retten können? Am 24. Mai 1977 wurde die Deutsche von der argentinischen Militärjunta ermordet.

Stand: 24.05.2013 | Archiv

24 Mai

Freitag, 24. Mai 2013

Autor(in): Ernst Weber

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Grafik: Angela Smets

Redaktion: Thomas Morawetz

Monte Grande 1977. In der Nacht auf den 24. Mai sind in dem verschlafenen Ort in der Provinz Buenos Aires plötzlich Schüsse zu hören. Mehrere Salven, aus automatischen Waffen. Die Einwohner sind verschreckt. Immer wieder hat es derartige Vorfälle in den vergangenen Monaten gegeben. Am nächsten Tag gibt das argentinische Militär bekannt, dass bei einem Gefecht in der Ortschaft Monte Grande 16 Terroristen getötet wurden. Unter den Erschossenen: Elisabeth Käsemann, 30 Jahre alt, Tochter eines Tübinger Theologen.

Schmutziger Krieg

Elisabeth Käsemann studiert in den 60er-Jahren Soziologie und Politik in Berlin. Nach dem Vordiplom reist sie nach Südamerika, um ein Praktikum zu machen - eine Reise, die das Leben der jungen Frau von Grund auf verändern wird. Tief erschüttert von den Gegensätzen zwischen Arm und Reich und dem Elend in den Slums beschließt sie zu bleiben. In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires verdient sie ihren Lebensunterhalt als Übersetzerin und engagiert sich für die Armen.

Die politischen Zustände in Argentinien sind damals chaotisch. Als der gerade aus dem Exil zurückgekehrte Präsident Juan Domingo Perón 1974 stirbt, übernimmt dessen Witwe, Isabel, die Macht. Sie ist allerdings mit den Regierungsgeschäften heillos überfordert. Linke Terrorgruppen und rechte Todesschwadronen verbreiten Angst und Schrecken. Streiks lähmen die Wirtschaft.

Im März 1976 putscht das Militär. Unmittelbar danach beginnen die neuen Machthaber einen schmutzigen Krieg gegen alle, die ihrer Meinung nach eine linke Gesinnung haben: Sozialisten, Gewerkschafter, Studenten werden entführt, gefoltert und tauchen dann in den meisten Fällen nie mehr auf. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass der sechsjährigen Militärdiktatur in Argentinien 30.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, darunter rund 100 Deutsche und Deutschstämmige.

Was ist wirklich passiert?

Ein Jahr nach dem Putsch, im März 1977, entführen die Militärs Elisabeth Käsemann. Ihr Engagement in den Slums und ihre Kontakte zu linken Studentengruppen waren den Militärs suspekt. Käsemann kommt in das berüchtigte Foltergefängnis "El Vesubio". Eine Freundin alarmiert Elisabeths Vater in Deutschland. Der bekannte Theologieprofessor schickt ein Telegramm an die Deutsche Botschaft in Buenos Aires und wendet sich an das Auswärtige Amt. Doch Elisabeth bleibt verschwunden. Ernst Käsemann und andere deutsche Eltern erheben später schwere Vorwürfe gegen die Deutschen Diplomaten. Denn anderen Nationen gelingt es durchaus, ihre Landsleute durch diplomatischen Druck aus den argentinischen Folterzentren zu befreien. Deutschland allerdings macht glänzende Geschäfte mit der argentinischen Militärjunta. Ernst Käsemann stellt verbittert fest, dass ein verkaufter Mercedes zweifellos mehr wiege als ein Menschenleben.

Dann die Nacht auf den 24. Mai 1977. Die Schüsse von Monte Grande. Was ist damals wirklich passiert? Elisabeth Käsemann  wird in jener Nacht mit 15 anderen Gefangenen in einen Bus geladen und aus "El Vesubio" abtransportiert. Sie hat jetzt nur noch kurze Zeit zu leben. Ernst Käsemann zahlt eine stattliche Summe an Schmiergeld, damit er zumindest den Leichnam seiner toten Tochter überführen und in Deutschland bestatten kann. An der Universität Tübingen stellen Gerichtsmediziner fest: Die gefesselte Elisabeth Käsemann ist aus kurzer Entfernung von hinten erschossen worden. Vier Schüsse durchschlugen Herz und Genick. Der Körper der abgemagerten jungen Frau wies zahlreiche Wunden auf. Spuren der Folter.


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