Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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22. August 1933 Rohrpostzuschlag für eilige Briefsendungen

Was sind "Spezialisten für innerbetriebliche Fördertechnik von materieller Kommunikation"? Rohrposttechniker! Autor: Markus Mähner

Stand: 22.08.2016 | Archiv

22 August

Montag, 22. August 2016

Autor(in): Markus Mähner

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wer hört denn heute auf einer Party noch hin, wenn jemand meint, er sei "Pre-Sales Manager", "IT-Consultant" oder "Application Engineer“. Tausende haben Berufe, die alle gut klingen, von denen aber kaum jemand weiß, was sie eigentlich sollen - die, die den Beruf haben eingeschlossen. Und: Letztlich ist ein solcher Beruf  oft stinklangweilig!

Wie elektrisiert ist da doch die erhabene Partygesellschaft, wenn einer schlicht meint, er sei „Rohrposttechniker": „Rohrposttechniker! Ja Wahnsinn! Gibt´s das denn noch? Was macht man da eigentlich?" Und schon steht der Mensch mit dem antiquiert klingenden Beruf im Mittelpunkt. Vielleicht ist auch ein bisschen abschätzige Neugier mit dabei: "Wie schön! Schnell nochmal ein Exemplar einer aussterbenden Spezies kennengelernt!"

Fahrgast in der Rohrpost

Doch „aussterbend'? Von wegen: Die Spezies der Rohposttechniker stirbt nicht aus. Sie ist zwar stark geschrumpft, doch ersetzbar ist sie trotz E-Mail, SMS und Telefon nicht. Denn die "Spezialisten für innerbetriebliche Fördertechnik von materieller Kommunikation" - wie sie sich etwas umständlich nennen - transportieren etwas, das auf elektronischem Weg einfach nicht transportierbar ist: z.B. Bargeld, Blutkonserven oder kleine Werkstücke. Also alles, was man auf Raumschiff Enterprise maximal beamen könnte!

Und man mag es glauben oder nicht: In den "Bomben" - so hießen die Röhrchen noch bis zur Blütezeit der RAF - wurden auch schon Menschen durch unterirdische Rohrsysteme geschossen! Na ja gut, 'geschossen'… Auf der einen Seite wurde mit viel Energie Luftunterdruck erzeugt und auf der anderen Seite mit viel Luft hinterhergeblasen. Aber immerhin: In New York beförderten bereits Anfang der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts gut 30 Meter lange "Bomben" mehrere hunderttausend Passagiere. Gegen die aufkommenden U-Bahnen konnten sich die Luftdruck-Gefährte allerdings nicht durchsetzen.

Konkurrenz zur Telegrafie

Aber ursprünglich waren sie ja auch nicht zur Personenbeförderung gedacht, sondern eigentlich als Konkurrenz für die elektronische Kommunikation. Natürlich nahmen sie damals noch nicht E-Mails und SMS die Arbeit ab, aber der Telegrafie. Denn die war so beliebt, dass sie in den meisten Städten völlig überlastet war. Zudem war die Informationsbeförderung via Rohrpost schlicht billiger. Telegrafie-Beamte waren nämlich besser ausgebildet als Rohrposttechniker und bekamen deshalb mehr Geld. Daran änderte sich auch nichts, als am 22. August 1933 die Post in Berlin und München mit den Preisen nachlegte: Ab jetzt wurde für eilige Briefe per Röhrchen ein Zuschlag von 10 Pfennig erhoben.

Tja, und "Rohrposttechniker" sind inzwischen ja auch "Spezialisten für innerbetriebliche Fördertechnik von materieller Kommunikation"! Und deshalb: eine Schau auf jeder Party!


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