Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. August 1969 Hurrikan Debbie wird geimpft

Etwas aberwitzig war es schon, aber warum sollte man es nicht versuchen? Als Hurrikan Debbie an der Küste der USA vorbeizog, war die Gelegenheit gekommen, um das Projekt "Stormfury" zu testen: Kann man Hurrikane stoppen? Am 18. August 1969 griffen 13 Flieger an.

Stand: 18.08.2011 | Archiv

18 August

Donnerstag, 18. August 2011

Autor(in): Christiane Neukirch

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Nichts wurmt den Menschen mehr als wenn er auf irgendetwas keinen Einfluss hat. Daher hat er über die Jahrtausende seines Daseins alles darangesetzt, die Kontrolle über die Natur und ihre Gesetze zu gewinnen. Vieles ist ihm gelungen; doch einige wenige Bereiche bleiben unerobert - und das wurmt ihn umso mehr. Allen voran: das Wetter. Nicht einmal vorhersagen kann man es zu hundert Prozent. Immer wieder muss der Mensch Überraschungen hinnehmen. Regen, der die Party versaut, Sonne, die die Felder verdorren lässt - und Stürme, die Städte zerstören.
 
Letztere wollten die Amerikaner Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr hinnehmen. 1946 war es dem Chemiker Vincent Schaefer gelungen, einer Wolke mit chemischer Beeinflussung einen Schneesturm zu entlocken. Die Firma General Electrics, in deren Auftrag er dieses Experiment ausgeführt hatte, zog sich vor Schreck sofort aus dem Projekt zurück - zu groß war die Furcht vor rechtlichen Folgen.

Immerhin war jetzt das Prinzip der "Wolkenimpfung" entdeckt, das man auf Wirbelstürme anwenden wollte. Das funktioniert so: Zunächst braucht man einen Sturm, dessen Bahn sich zuverlässig vorausberechnen lässt. Dann braucht man kühne Flieger: Sie müssen mit Flugzeugen ins Auge des wild kreisenden Wirbels hineinfliegen. Dort angekommen fliegen sie den Rand des ca. 50 Kilometer breiten Loches ab und sprühen kleinste Partikel Silberjodid darauf. Die Wärme, die dabei frei wird, sorgt dafür, dass sich der Durchmesser des Auges vergrößert - der Sturm dreht sich dadurch langsamer. So begann 1962 das Projekt "Stormfury".

Allerdings war es nicht leicht, überhaupt einen geeigneten Sturm zu finden. Entweder waren sie nicht berechenbar genug, zu nah an Land oder zu weit weg für die Flugzeuge; oder sie hatten kein sauberes Auge. Doch dann kam "Debbie". Der Hurrikan, der im August 1969 an der Küste der USA vorbeizog, war perfekt. Am 18. August griffen die Flieger an, dreizehn an der Zahl. Tatsächlich schwächte sich der Sturm am ersten Tag des Einsatzes um 31 Prozent ab; am zweiten um 18. Dann aber holte er sich wieder Kraft und brauchte mehrere Tage, bis er sich abschwächte.

Trotz dieses vielversprechenden Versuchs war dem Projekt "Stormfury" kein nachhaltiger Ruhm beschieden. 1971 fand ein letzter Flug statt. Es gab nicht genügend taugliche Stürme. Statistiken zeigten, dass die Stürme auch ohne Impfung mitunter ähnliche Verläufe nahmen, so dass der Erfolg noch nicht mal eindeutig  nachweisbar war. Nach dem Vietnamkrieg, in dem die USA chemische Waffen und Wetterbeeinflussung als Kampfmittel benutzt hatten, verlangte die Sowjetunion, dass das Thema Umweltkrieg auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen gesetzt wurde. Das führte dazu, dass 1976 die so genannte ENMOD-Konvention der UNO jegliche militärische Umwelt- und Wetterbeeinflussung verbot. Bis 1978 unterzeichneten 47 Staaten den Beschluss.

Doch Die Versuchung bleibt. So stellte China zur Olympiade 2008 eine Armada mit Geschützen gegen Regenwolken auf; selbst Russland, einst Fürsprecher der Gegeninitiative, machte sich ein Jahr später Schönwetter zum Nationalfeiertag.

Und dann ist da natürlich noch eine andere Himmelsmacht, die der Mensch wohl nie unter Kontrolle bringen wird: die Stürme der Liebe. Wir beherrschen beileibe nicht alles - zum Glück.


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