Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. Januar 1871 Kaiserproklamation: ein Hoch auf Wilhelm I.

Erst findet sich kein rechter Titel für den künftigen deutschen Herrscher und dann fehlt auch noch der Jubelruf. So kompliziert im Detail hatte sich Wilhelm I. seine Proklamation sicher nicht vorgestellt. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 18.01.2016 | Archiv

18 Januar

Montag, 18. Januar 2016

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Dass die deutsche Wiedervereinigung 1989/90 friedlich und demokratisch und im europäischen Einvernehmen über die Bühne ging, ist ein historischer Glücksfall: vor allem im Vergleich zur Gründung des deutschen Kaiserreiches im Jahre 1871. Diese erste deutsche Einheit kam erst nach drei blutigen Kriegen zustande, und bei der hatte das Volk überhaupt nichts zu sagen. Die wurde von den Fürsten ins Werk gesetzt, und zwar auf Betreiben des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck. Der sorgte nach dem Sieg über Frankreich dafür, dass der Preußenkönig Wilhelm am 18. Januar 1871 zum deutschen Kaiser ausgerufen wurde, mitten im Spiegelsaal von Schloss Versailles, in der guten Stube der soeben besiegten Franzosen.

Hoch!

Der Maler Anton von Werner hat das Ereignis auf einem Gemälde verewigt, das später zur nationalen Ikone wurde. Man sieht den Kaiser unter Fahnen und Standarten und begeisterte säbelschwingende Fürsten und Militärs mit Otto von Bismarck in der Mitte: Der hat eine weiße Galauniform an und präsentiert sich dem Auge des Betrachters als nationale Lichtgestalt vom Scheitel bis zur Sohle. Klar, so ein Bild soll die Wirklichkeit überhöhen, dazu ist es da.

Hoch, hoch, hoch!

In Wirklichkeit war Bismarck dunkelblau uniformiert und weiß nur im Gesicht, und zwar vor Erschöpfung und Ärger über die vielen Kontroversen im Vorfeld. Sein oberster Chef, Preußenkönig Wilhelm, musste erst mühsam dazu überredet werden, Kaiser zu werden und einen Nationalstaat zu akzeptieren, in dem das eigenständige alte Preußen auf- und unterging. In Bayern hatte man ähnliche Sorgen, da bangte König Ludwig II. um seine Souveränität und stellte sich quer. Bismarck schob ihm unter der Hand jede Menge Geld für seine Märchenschlösser zu und bewilligte den Bayern unter anderem ein eigenes Postwesen und eigene Eisenbahnen. Ludwig gab nach. Und auch Preußenkönig Wilhelm fand sich mit seiner Zukunft als Kaiser von Deutschland ab.

Aber - Moment! Kaiser von Deutschland, das klang zu dominant und hätte die mühsam ins Boot geholten Süddeutschen düpiert. Deutscher Kaiser müsse es schlicht und einfach heißen, insistierte Bismarck. König Wilhelm fand das zu bescheiden und war gekränkt. Vor der Kaiserproklamation legte er dem Großherzog von Baden, der für den Hochruf eingeplant war, eindringlich nahe, die Formulierung "Kaiser von Deutschland" zu verwenden. Wenig später nahm sich Bismarck den verwirrten Großherzog noch einmal zur Brust und erinnerte an die ursprüngliche Vereinbarung: deutscher Kaiser, ja? Nichts anderes! Der Großherzog wand sich aus der Zwickmühle, indem er dann einfach rief: "Seine kaiserliche und königliche Majestät, Kaiser Wilhelm, lebe hoch, hoch, hoch!"

Eine salomonische Lösung. Aber mit dem Hochleben war es dann aber doch nicht sehr weit her. Nach dem Ersten Weltkrieg war die Hohenzollern-Monarchie am Ende, und 1933 kam Hitler an die Macht. Ob die Wurzeln der Katastrophe schon in der obrigkeitsstaatlichen und militaristischen Entwicklung des deutschen Kaiserreichs liegen, darüber diskutieren die Historiker bis heute.


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