Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Januar 1934 Publikation zur künstlichen Radioaktivität

Am 15. Januar 1934 legten Irène und Frederic Joliot-Curie der Schwedischen Akademie der Wissenschaften ein sensationelles Forschungsergebnis vor: Es war ihnen gelungen, künstliche Radioaktivität herzustellen. Dafür gab es postwendend den Nobelpreis, womit Irène in die Fußstapfen ihrer berühmten Mutter Marie Curie trat.

Stand: 15.01.2010 | Archiv

15 Januar

Freitag, 15. Januar 2010

Autor(in): Christiane Neukirch

Redaktion: Thomas Morawetz

"Wer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren", lautet ein Sprichwort – und es waren große Fußstapfen, in die Irène Joliot-Curie trat. Es waren die ihrer Mutter Marie Curie, der  Pionierin des nuklearen Zeitalters, die die Wissenschaft in eine strahlende Zukunft geführt und dafür den Nobelpreis erhalten hatte. Und das zwei mal: für Physik und für Chemie. Marie Curie hatte gezeigt, dass Atome keineswegs statische Gebilde sind, sondern höchst aktiv sein können. Sie hatte beobachtet, dass es Elemente gibt, die in sich so instabil sind, dass sie zerfallen und dabei Strahlung freisetzen: die Radioaktivität. Tochter Irène war selbst Zeugin, als ihrer  Mutter 1911 der Chemie-Nobelpreis verliehen wurde. Damals hätte sie sich wohl kaum träumen lassen, dass sie 24 Jahre später auf demselben Podium stehen würde, um den Nobelpreis entgegenzunehmen.

Doch bis dahin war es ein weiter, harter Weg. Freilich war manches durch Mutters Fußstapfen vorgezeichnet - etwa die Marschrichtung. Marie Curie bestand darauf, ihre Töchter Irène und Ève von hochkarätigen Wissenschaftlern privat unterrichten zu lassen. Einen Teil des Unterrichts übernahm sie persönlich. Mit siebzehn begleitete Irène ihre Mutter in den Krieg. Dort half sie ihr, einen mobilen Röntgendienst für verwundete Soldaten aufzubauen. Von ihr lernte sie auch, sich nicht zu schonen. Mit eiserner Disziplin und ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit trieb sie ihre Forschungen voran. Ihre Doktorarbeit widmete sie dem von ihrer Mutter entdeckten Polonium - einem hochradioaktiven Element, das sie eigenhändig aus zerstampften Radon-Ampullen auskratzte. Noch war die zerstörerische Wirkung der Strahlen auf den menschlichen Körper nicht erwiesen; doch Irène Joliot-Curie litt immer wieder an verschiedenen Beschwerden.

Ihr Durchbruch als Wissenschaftlerin hatte ebenfalls mit dem Werk ihrer Mutter zu tun. Die radioaktiven Substanzen, die diese beschrieben hatte, strahlten, weil sie instabil waren, das heißt, sie zerfielen zu anderen Elementen. Außerdem fielen bei diesem Zerfall sogenannte Alpha-Teilchen an. Damit probierten Irène und ihr Mann Frédéric etwas Neues. Sie schossen die frei gewordenen Alpha-Teilchen auf eine Aluminiumfolie.
Ziel war es, die Atomkerne des Metalls zu treffen - ein unglaublich aufwändiges Unterfangen, denn ein Atomkern bietet kaum Angriffsfläche - die Trefferquote liegt bei eins zu zehn Millionen. Trotzdem gelang es: Die Alpha-Teilchen gingen neue Allianzen ein. Was entstand, war eine neue radioaktive Substanz: strahlendes Phosphor. Ein Wochenende verbrachten die beiden Forscher damit, ihre Entdeckung zu bestätigen und mehr Elemente hervorzubringen. Damit war bewiesen: Es war möglich, künstliche Radioaktivität zu erzeugen. Am 15. Januar 1934 legten sie ihre Ergebnisse der Schwedischen Akademie der Wissenschaften vor.

Diese erkannte schnell die Tragweite der Nachricht: So rasch wie in diesem Fall war kaum je die Entscheidung für einen Nobelpreis gefallen. Der Festredner bei der Verleihung drückte es sinngemäß so aus: "Seit jeher war es der Traum der Alchemisten, aus gewöhnlichen Elementen eine edleres herzustellen: Gold. Diese Transformation ist Irène Joliot-Curie und Fédéric Joliot gelungen, und sei es indirekt in der Form des Nobelpreises."

Irène war vor allem eines gelungen: aus dem Schatten ihrer Mutter herauszutreten, indem sie deren Werk fortführte. Marie Curie erlebte die Nobelpreisverleihung an ihre Tochter nicht mehr: Sie war wenige Monate zuvor an Leukämie gestorben; eine Konsequenz ihrer Experimente mit der Radioaktivität. Auch Irène starb 1956 an den Folgen der langjährigen Kontakte mit radioaktiven Stoffen; ihr Mann zwei Jahre später. Irènes Schwester Ève war das einzige Familienmitglied, das nachweislich nicht an solchen Schäden litt: Als Biografin ihrer Mutter hatte sie das Phänomen aus sicherer Entfernung verfolgt. Sie starb 2007 – im Alter von 102 Jahren.


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