Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

14. Oktober 1892 Erster Sherlock Holmes-Sammelband erscheint

Obwohl kein Mensch aus Fleisch und Blut, ist er einer der größten Persönlichkeiten der Kriminalgeschichte: Sherlock Holmes, der Meisterdetektiv.. Autorin: Gabriele Bondy

Stand: 14.10.2016 | Archiv

14 Oktober

Freitag, 14. Oktober 2016

Autor(in): Gabriele Bondy

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Im "Welt-Almanach" von 1854 wurden viele bedeutende Ereignisse genannt, beispielsweise die Gründung der Republikanischen Partei in den USA und dass die römische Katholische Kirche die Unbefleckte Empfängnis zum Dogma erhoben hatte, aber die vielleicht bedeutendste Begebenheit blieb unerwähnt - nämlich die Geburt von Sherlock Holmes! Bei der Berühmtheit, die er später mal erlangen sollte! Noch immer pilgern Jahr für Jahr Tausende von Fans in die Londoner Baker Street 221 b, wo der Welt populärster Detektiv gewohnt haben soll. Doch obwohl mehr als eine Biografie von ihm erschienen ist, handelt es sich bei Sherlock Holmes keines Falls um einen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern um eine literarische Figur, ebenso wie bei Dr. Watson, dem Chronisten seiner Abenteuer. Letzterer übrigens ein Alter Ego von Arthur Conan Doyle, dem  begnadeten Schöpfer der insgesamt 56 Kurzgeschichten und vier Romane.

Doyle, von Haus aus Mediziner, fühlte sich nach aufregenden Reisen als Schiffsarzt  offenbar so wenig gefordert, dass er zu schreiben begann. In seinen Kriminalgeschichten schilderte er bis dato noch völlig ungewöhnliche Methoden, einen Täter zu überführen, beispielsweise mit Hilfe des individuellen Fingerabdrucks. Nicht mehr "Kommissar Zufall" sollte zur Aufklärung beitragen, sondern genaue Beobachtung und sorgfältige Analyse. Anregung zu dieser Vorgehensweise hatte Arthur Conan Doyle von seinem Lehrer Joseph Bell übernommen, der die Fachwelt damit erstaunte, dass er bereits Diagnosen stellte, bevor die Patienten ihr Leiden geschildert hatten. Es liegt also nahe, dass  Doyle anlässlich des am 14. Oktober 1892 erschienenen Sammelbandes aller bisherigen Abenteuer des Sherlock Holmes dem verehrten Bell gestand: "Sherlock Holmes habe ich ganz eindeutig Ihnen zu verdanken."

Doyle lotete nicht nur die Untiefen der menschlichen Seele aus, sondern zeichnete auch ein höchst realistisches Bild seiner Zeit, der viktorianischen Epoche. Er griff soziale und politische Fragen auf, ohne dabei mit seinen eigenen - oft ungewöhnlichen - Ansichten über Schuld und Vergeltung hinter dem Berg zu halten.

So lässt er einen Täter schon mal entkommen, wenn er der Meinung ist, der sei durch sein mieses Leben schon genug gestraft.

Doch der Zwang, unentwegt neue Sherlock Holmes-Stories zu liefern, kostete den Erfolgsautor viel Kraft und Zeit. Weil er noch anderes vorhatte, beschloss er, Sherlock Holmes durch einen Sturz in einen Schweizer Gebirgswasserfall ins Jenseits zu befördern. Nicht einmal Doyles Mutter konnte ihren Sohn von diesem Frevel zurückhalten. Übrigens veranlasste der Abgang ihres Helden eine nicht geringe Anzahl Leserinnen und Leser zum Zeichen der Trauer schwarze Schleifen an ihren Ärmeln zu tragen... und das Abonnement des "Strand-Magazins", in dem die Abenteuer des Sherlock Holmes regelmäßig erschienen, auf der Stelle zu kündigen.

Doch spätestens beim Abfassen des Gruselschockers „Der Hund von Baskerville“ merkte Doyle, dass ihm sein genialer Detektiv fehlte. So ließ er ihn kurzerhand wieder auferstehen:

"Mein lieber Watson", sagte die unvergessene Stimme, "kannst du mir noch einmal verzeihen?"... "Holmes!" rief Watson dann. "Bist du es wirklich? Du lebst? Ist es möglich, dass es dir gelang, aus diesem grauenhaften Abgrund wieder herauszuklettern?"...

Wer die Geschichte "Das leere Haus" liest, wird auch erfahren, wie das geschah.


1