Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. November 1897 August Gissler wird Gouverneur der Kokosinsel

Irgendwo muss der Piratenschatz doch abgeblieben sein, und einiges spricht für die Kokos-Insel im Pazifik! Am 11. November 1897 wurde der Schatzsucher August Gissler Gouverneur der Insel.

Stand: 11.11.2011 | Archiv

11 November

Freitag, 11. November 2011

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Thomas Morawetz

Wir befinden uns 160 Seemeilen vor der Küste von Costa Rica. Hoch schlägt die Brandung über die Klippen der kleinen Insel. Der Dschungel: dampfend in feuchtheißer Luft. Verwegen aussehende Männer kämpfen sich durch das Gestrüpp des Ufersaums, schleppen schwere Kisten, graben Löcher an unzugänglichen Stellen, senken die Kisten hinab, werfen die Löcher mit Erde zu. Dann füllen sie Frischwasser ab, laden die Fässer in Boote und rudern hinaus auf's offene Meer, wo ihr Schiff vor Anker liegt. Vom Mast des Schiffs weht eine schwarze Flagge. Piraten.

Dampfender Dschungel, verwegene Männer

Zweihundert Jahre später. Wieder schlägt die Brandung hoch über die Klippen der kleinen Insel, der Dschungel dampfend in feuchtheißer Luft. Verwegen aussehende Männer kämpfen sich fluchend durch das Gestrüpp des Ufersaums, graben Löcher an unzugänglichen Stellen, finden nur Erde, buddeln noch einmal, wieder nur Erde. Entmutigt setzen sie sich auf einen Baumstamm und ziehen eine zerknitterte, alte Landkarte hervor. Schatzsucher.

Der erste, der zur Kokosinsel kam, um dort Schätze zu heben, war ein Deutscher: August Gissler, aus Altdamm bei Stettin. Auf einem Auswandererschiff hatte Gissler einen Matrosen kennen gelernt, der ihm von den ungeheuren Schätzen auf der Kokosinsel erzählte. Generationen von Freibeutern hatten die Insel als Beuteversteck genutzt, darunter Benito Bonito und der britische Kapitän Thompson, der den Kirchenschatz von Lima unterschlagen und auf der Kokosinsel vergraben haben soll. Gissler nahm das Gerede nicht ernst. Als ihm dann Jahre später auf einer Zuckerrohrplantage bei Honolulu eine Schatzkarte in die Finger kam, und wieder von dieser ominösen Kokosinsel, da ließ Gissler Zuckerrohr Zuckerrohr sein und machte sich auf, die Insel zu suchen.

Gissler kam, grub und fand nichts außer dampfender Erde. Nach zwei Jahren beschließt Gissler, die Insel zur Chefsache zu machen.

In Costa Rica beantragt er eine Konzession zur Gründung einer Kolonie. Er fährt zurück nach Deutschland, heiratet eine tropentaugliche Dame und beredet dreizehn deutsche Familien, mit ihm zusammen auf der Kokosinsel zu siedeln. Man baut ein Sägewerk und Blockhütten, legt Wege an, pflanzt Gemüse, Tabak, Kaffee und Bananen, kämpft mit Feuerameisen, den Nachkommen von Schiffsratten und Hauskatzen, wilden Schweinen und wucherndem Dschungel. Nach drei Jahren geben die Siedler auf und verlassen die Insel wieder. Nur Gissler und seine Frau bleiben zurück, es gilt ja, Schätze zu heben.

Eine Handvoll Goldmünzen

Das Gerücht, auf der Kokosinsel könne man reich werden, spricht sich rum. Weil irgendjemand die Besucher ordnungsgemäß willkommen heißen muss, wird ihr einziger männlicher Dauerbewohner, der deutsche Schatzgräber August Gissler, am 11. November 1897 vom Präsidenten Costa Ricas zum Gouverneur der Kokosinsel erklärt. Hunderte Expeditionen kommen und gehen, Gissler aber bleibt. Ziellos Löcher hinter sich lassend streunt er auf der Insel herum. Er weiß, dass er nichts finden wird, doch das Suchen ist ihm mittlerweile zur Lebensphilosophie geworden.

Im Jahr 1908 geht er dann auch. 17 Jahre war Gissler auf der Kokosinsel, zehn davon als ihr Gouverneur. Alles, was er gefunden hat, waren eine Handvoll Goldmünzen und die kümmerlichen Überreste eines goldenen Handschuhs. Heute befindet sich auf der Insel ein Militärstützpunkt, und die Behörden Costa Ricas haben längst ihren eigenen Kokosinsel-Schatz gefunden. Wer nämlich dort im Dschungel rumgraben will, und das sind viele, der muss sich bei den Behörden eine Genehmigung holen. Und dass Beamte nichts umsonst hergeben, das wissen wir ja.


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