Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

11. April 1929 Texas Guinan kommt mit Freispruch davon

Texas Guinan kannten alle, und zu ihr kamen alle. Die Tochter eines Gemüsehändlers war die unangefochtene Königin des New Yorker Nachtlebens während der Prohibition. Das half Texas auch vor Gericht, am 11. April 1929.

Stand: 11.04.2014 | Archiv

11 April

Freitag, 11. April 2014

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Am 11. April 1929 war der Saal des Bundesgerichts in Manhattan brechend voll, und draußen konnten die Marshals den Ansturm der Neugierigen kaum bändigen. Die Delinquentin trug schwarzen Satin und Silberfuchs, glitzerte in ihrem Diamantschmuck wie ein Weihnachtsbaum und nannte den Staatsanwalt "mein Lieber". Texas Guinan, die schillernde Königin des New Yorker Nachtlebens, war wegen Vergehen gegen die Prohibitionsgesetze angeklagt. Eine Zeitung hatte ihr schon fünfzigtausend Dollar für eine tägliche Kolumne aus der Gefängniszelle geboten.

Munter trinken trotz Prohibition

Texas hieß in Wirklichkeit Mary Louise. Sie war als Tochter eines Gemüsehändlers in der Kleinstadt Waco aufgewachsen und hatte eine Klosterschule besucht. Mit dreiundzwanzig ließ das Landei den Ehemann sitzen, um ein Star zu werden. Sie war Chorsängerin am Broadway, die Diva in Musikrevuen, revolverschwingende Heldin in Stummfilm-Western und Filmproduzentin in Hollywood. Aber ihre beste Zeit brach an, als 1920 die Prohibition über Amerika kam.

Kummervoll sahen die Nachtschwärmer am und um den Broadway Bars und Varietés untergehen. Doch als der Alkoholschmuggler Larry Fay den
"El Fey Club" eröffnete und Texas Guinan engagierte, wurde der Nachtclub geboren, Inbegriff der "Roaring Twenties", der stürmischen, goldenen Zwanzigerjahre. Frauen mit kurzen Haaren und kurzen Röcken tanzten Charleston zur Jazzmusik, zwei-, dreimal in der Nacht wurde die Tanzfläche zur Showbühne, die Gäste konnten an weiß gedeckten Tischen speisen - und natürlich trinken. Der Alkohol floss in Strömen, zu exorbitanten Preisen, auch wenn der Champagner in Wirklichkeit Apfelwein war und der Whisky redestillierter Industriealkohol, gefärbt mit Zuckersirup.

Texas Guinan war eine mittelmäßige Sängerin und eine zweitklassige Schauspielerin, aber begnadet als Entertainerin. Platinblond und in Glitzerrobe spielte sie die Bussi-Gastgeberin,  führte schlagfertig und leicht ordinär durch das Showprogramm, scherzte, erzählte und sang und ließ die Gäste Kindergeburtstagsspiele machen. Der "El Fey Club" fand sofort Nachahmer, aber Texas war konkurrenzlos. Zu ihr kamen sie alle: Rudolph Valentino, Gloria Swanson und der Bürgermeister von New York, Senatoren und Gangster, Baseballstars, Touristen und Klatschreporter. Alle paar Monate versiegelten Prohibitionsagenten die Tür, und ein paar Tage später eröffnete sie anderswo einen neuen Club. Ihre Geschäftspartner waren Bosse der Alkoholmafia; sie scheffelte ein Vermögen, behängte sich mit Juwelen und fuhr Rolls Royce.

Glückwünsche zum Freispruch

Als sie im April 1929 vor Gericht stand, wussten alle, dass sie schuldig war.
Die Jury sprach sie trotzdem frei - in New York hielt man nichts von der Prohibition. "Dies ist das Land der Freien," verkündete Texas Guinan vor der Presse, "und ich repräsentiere die FREIEN." Abends trugen die Kellner in ihrem Lokal Körbe voller Glückwunschtelegramme herein.

Doch im Oktober kam der Börsencrash, und für die Nachtclubs begann das große Sterben. Texas Guinan mochte auf den Applaus nicht verzichten und ging mit ihrer Show auf Tournee. Im November 1933 brach sie in Vancouver zusammen und starb nach einer Notoperation. Als sie am Broadway aufgebahrt lag, defilierten zwölftausend Fans an ihrem Sarg vorbei. Einen Monat später wurde die Prohibition aufgehoben.


1