Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. April 1958 Erster Auftritt des Peace-Zeichens

Es ist das wohl bedeutenste und bekannteste Friedenszeichen. Das liegt auch daran, dass es viel einfacher zu zeichnen ist als eine Friedenstaube. Autorin: Christiane Neukirch

Stand: 04.04.2017 | Archiv

04 April

Dienstag, 04. April 2017

Autor(in): Christiane Neukirch

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wie sieht Frieden aus? Über dieser Frage grübelte im Jahr 1958 der britische Designer Gerald Holtom. Er hatte den Auftrag, ein einprägsames Symbol für die Friedensbewegung zu entwerfen; genauer gesagt: für die "CND", die Kampagne für nukleare Abrüstung. Zusammen mit anderen Atomwaffengegnern planten ihre Mitglieder einen Protestmarsch.

Wie stellt man Frieden dar?

Holtom sah sich einer kniffligen Aufgabe gegenüber. Krieg ist leicht darstellbar: eine Bombe genügt, ein Gewehr, eine Explosion. Frieden ist die Abwesenheit von Krieg. Wie zeichnet man etwas, was nicht ist? Holtom brütete wochenlang. Schließlich beschloss er, ein Symbol seiner Verzweiflung zu kreieren: ein Mensch mit hilflos nach unten ausgebreiteten Armen; abstrahiert in einem senkrechten Strich und einem nach unten geöffneten Winkel, darum herum ein Kreis als Abbild der Erde.

Den ersten öffentlichen Auftritt hatte das Zeichen am 4. April 1958. An jenem düster-regnerischen Karfreitag sammelten sich die Rüstungsgegner auf dem Londoner Trafalgar Square für ihren Marsch zur Atomwaffenfabrik in Aldermaston. Auf 500 überdimensionierten Lollipops aus Pappe prangte das neue Protestsymbol. Kritiker gaben dem unpersönlich anmutenden Zeichen keine Zukunft. Doch manchmal spielt der Zufall seine geschichtsmächtige Trumpfkarte aus. In diesem Falle in Gestalt eines Marschteilnehmers, der Mitstreiter des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King war. Der nahm das Symbol mit nach Amerika. Dort fiel es auf fruchtbaren Boden, nicht nur bei Bürgerrechtlern und Atomgegnern: In den 1960er-Jahren stand die amerikanische Bevölkerung unter dem Eindruck des Vietnamkriegs, der viele unfreiwillig verpflichtete Soldaten Gesundheit oder Leben kostete. Auf vielen Helmen prangte plötzlich Holtoms Zeichen. Zur Rede gestellt, weshalb er dieses Symbol auf seinen Helm gepinselt habe, antwortete einer der Aufmüpfigen: "Es ist viel einfacher zu zeichnen als eine Friedenstaube." Somit wäre auch ein weiterer Grund für den Erfolg benannt.

Ein Zeichen - viele Interpretationen

Holtom hatte seine Erfindung bewusst nicht zum Patent angemeldet. Er wollte, dass ein Zeichen der Freiheit jederzeit frei verfügbar sei. Dies erfreute nicht nur die Zielgruppe der Pazifisten, sondern auch Firmen, die aus dem Wohlfühlfaktor der Friedensidee Profit schlugen, in Gestalt von Damenhandtaschen bis hin zu Zigaretten.

Je verbreiteter das Zeichen wurde, desto mehr wucherten auch Spekulationen über seine Entstehung. Manche Kritiker deuteten es als germanische Rune des Todes; andere spotteten, das Zeichen sehe aus wie der Fußabdruck eines Huhns, das im Englischen auch "Feigling" bedeutet. Wieder andere merkten an, das Innere des Kreises bestünde aus zwei Zeichen der Militärsprache, die Initialen N und D für "Nuclear Disarmament", die nukleare Abrüstung. Damit lagen sie sogar richtig. Holtom vertrat durchaus selbst mehrere Entstehungsgeschichten. Dem Friedens-Chronisten Ken Kolsbun sagte er später, er bereue nur, das Zeichen nicht andersherum in die Welt gesetzt zu haben: Frieden sei doch eigentlich etwas zu Feierndes. Die symbolischen Arme gehören nach oben.

Wo ist das Problem? Wer dem zustimmt, dreht das Zeichen einfach um.


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