Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. August 1818 Die russische Rurik-Expedition geht zu Ende

Ihr Ziel, die Weltumsegelung, die Entdeckung der Nordwestpassage, erreichte die Expedition nicht. Und doch war die Reise voller Neuentdeckungen, voller menschlicher und kultureller Erfahrungen. Autorin: Julia Devlin

Stand: 03.08.2017 | Archiv

03 August

Donnerstag, 03. August 2017

Autor(in): Julia Devlin

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Im Sommer 1815 lief ein Expeditionsschiff aus Kopenhagen aus, ein russisches, Rurik sein Name. Wieder einmal ein Versuch, die Nordwestpassage zu finden. Jenen legendenumwobenen Seeweg, der im Polarkreis den Atlantik mit dem Pazifik verbinden sollte. Schon seit dreihundert Jahren suchten Seeleute vergeblich danach. Der ehrgeizige Kapitän der Rurik wollte den Eingang durch das eisige Inselgewirr diesmal von Westen aus finden, von der Küste Alaskas. Nebenbei sollte auch das Gebiet dort einmal gründlich kartographiert werden. Gehörte dieser Teil des amerikanischen Kontinents doch zum Zarenreich.

Der forschende Dichter

An Bord des kleinen Zweimasters war der Dichter Adelbert von Chamisso. Er hatte sich mit der märchenhaften Erzählung "Peter Schlemihls wundersame Geschichte" einen Namen gemacht, war aber auch ein Naturforscher. Und als solcher sollte er nun die Expedition begleiten.

Dass die Reise ein längeres Unternehmen werden würde, kam ihm nur gelegen. Denn er fühlte sich gerade so recht heimatlos. Franzose von Geburt, hatte er mit seiner Familie vor der Revolution aus Frankreich fliehen müssen, hatte endlich in Deutschland eine Heimat gefunden und litt nun, nachdem Napoleon ganz Europa in Kriegswirren gestürzt hatte, unter der franzosenfeindlichen Atmosphäre in Berlin. So kam es ihm auf ein Jahr mehr oder weniger nicht an, Hauptsache, ganz weit weg. Ganz weit weg - das hieß von Kopenhagen über Teneriffa nach Brasilien zu segeln, Kap Hoorn zu umrunden und dann ab nach Norden. Ein Jahr, nachdem sie Kopenhagen verlassen hatte, erreichte die Rurik Alaska.

Ach, was müssen das für Zeiten gewesen sein, als es noch weiße Flecken auf der Landkarte gab. Man konnte noch Landstriche, Inseln und Ströme entdecken, vollkommenes Neuland betreten, konnte diesem Neuland seinen Namen geben, oder den Namen seines Vorgesetzten, und wie gut sah das denn aus im Lebenslauf.

So segelte die Rurik in eine Meerenge, die man kurzerhand nach dem Kapitän benannte, und am selben Tag noch taufte man eine Insel auf den Namen Chamissos.

Der Weg ist das Ziel

Mehrere Monate segelte die Rurik im Pazifik herum, doch 1817 ging es dem Kapitän gesundheitlich so schlecht, und kamen so viele Eisberge ihrer Wege, dass man die Expedition vorzeitig abbrach und den Rückweg antrat. Am 3. August 1818 lief die Rurik in St. Petersburg ein. Die Weltreise war beendet.

Die Nordwestpassage hatte man nicht gefunden, aber dafür hatte die Rurik Schätze anderer Art an Bord: Geografisches, zoologisches und botanisches Material und einige hölzerne Walmodelle, die die Eingeborenen auf den Aleuten für Chamisso angefertigt hatten. Und Adelbert von Chamisso, aufgebrochen als vaterlandsloser Geselle ohne Studienabschluss machte sich nun, Franzose hin oder her, in der gelehrten Welt einen Namen als Botaniker der Flora und Fauna Alaskas. Der Weg ist das Ziel, das hatte sich hier wieder einmal gezeigt.  


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