Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. Juni 1964 Fußgänger bekommen Vorrang auf Zebrastreifen

Der Zebrastreifen - eine Geschichte voller Missverständnisse. Was hat er eigentlich mit einem Zebra zu tun? Geht es auch ganz anders? Autorin: Christiane Neukirch

Stand: 01.06.2017 | Archiv

01 Juni

Donnerstag, 01. Juni 2017

Autor(in): Christiane Neukirch

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wieso Streifen? Und warum weiß auf schwarz? Was hat die Erfinder bewogen, beim Zebra abzukupfern? Hätte man nicht auch Tigerstreifen nehmen können, Leopardenflecken oder Kreuzotterkaros? Kurz: Warum sind Fußgängerüberwege so gemustert wie sie sind? Für eine Antwort auf diese Fragen müssen wir einen Blick in die Geschichte der Zebrastreifenforschung wagen.

Um zu verhindern, dass ein Fußgänger auf der Straße überfahren wird, braucht es einen Hingucker - da waren sich die Verkehrsexperten einig: etwas, das rasenden Fahrzeugführern ins Auge sticht, ehe der Fußgänger zum Blickfang wird, als Kühlerfigur.

Perfekte Tarnung!

Schwarz-weiße Streifen: Das Zebra hat sie, um sich vor Raubtieren zu verstecken. Das geht so: Das kontrastreiche Muster sorgt dafür, dass die Silhouette von weitem nicht mehr erkennbar ist; sie wird sozusagen in Kleinteile zerhäckselt und somit unsichtbar. Man sieht, kurzum, das Zebra vor lauter Streifen nicht. Perfekte Tarnung! Das Gegenteil von Blickfang also. Der Fußgänger, so getarnt, wäre verloren. Nun sei an dieser Stelle ein Geheimnis verraten: Nicht das Zebra war Vorbild für die Asphaltbemalung. Sie gab es schon, bevor man auf’s Zebra kam. Der Prototyp der Straßenstreifen war nicht schwarz-weiß, sondern blau-gelb, eine Erfindung des britischen Verkehrsministers James Callaghan. Er führte die Markierung im Jahr 1949 ein; kurz darauf befand er, schwarz-weiß sei geeigneter. 1952 gab es die ersten solcher Fußgängerüberwege in Deutschland. Doch wie kommt nun das Zebra ins Spiel?

Hierzu gibt es zwei Überlieferungen. Die erste stammt aus britischen Quellen: Der Minister habe beim Anblick der schwarz-weißen Straßenbemalung ausgerufen, sie erinnere ihn an ein Zebra, und taufte die Sache "zebra-crossing". In Deutschland rühmt sich das Hamburger Abendblatt, Urheber des Begriffs zu sein. Die Zeitung begleitete 1954 eine Aktion der Stadt Hamburg, in der die rücksichtsvollsten Autofahrer ausgezeichnet werden sollten: die Aktion "Zebra". "Zebra" stand für "Zeichen Eines Besonders Rücksichtsvollen Autofahrers".

Aufkleber mit dem Bild des Tieres konnte sich der brave Fahrer als "Gutpunkte" auf die Scheibe pappen. Die neuen Fußgängerüberwege, amtsdeutsch "Dickstrichketten" genannt, wurden im Volksmund zu "Zebrastreifen".

Auf Amtsdeutsch: "Dickstrichketten"

Übrigens: Zebrastreifen sind nicht die einzige tierisch-bunte Variante der Verkehrsregelung: In England gab es Versuche mit Panda-Übergängen, bestehend aus gelben Dreiecken. Die Schweizer entschieden sich fürs Tigermuster - dort sind bis heute alle Übergänge schwarz-gelb; die Österreicher denken über eine Straßenzierung in rot-weiß nach. Nur die Deutschen hielten Schwarz-Weiß unverbrüchlich die Treue.

Nachdem der Verschleiß an Fußgängern jeglichen Streifen zum Trotz zunächst nur mäßig zurückging, räumte man ihnen am 1. Juni 1964 per Gesetz den Vorrang vor Autos und Radfahrern ein. Kaum war das Gesetz in Kraft, sann man auch schon wieder darüber nach, wie man sich seiner entledigen könne. "Um den Verkehrsfluss aufrechtzuerhalten", so die Begründung, fing man an, zahlreiche Zebrastreifen wieder zu beseitigen. Statistiken werden weiter erhoben.

Die Schweiz experimentiert seit neuestem mit Glasperlen von Swarovski, um ein Glitzern ins Auge des Autofahrers zu zaubern. So bleibt der Zebra-, Tiger-, Wolpertingerstreifen samt seiner ihn nutzenden Spezies weiterhin ein lohnendes Forschungsobjekt.


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