Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton

Die letzte Reise Wenn der Boandlkramer kummt

Sterben ist auch in unserer modernen Zeit noch immer ein Tabuthema. Heutzutage beschreibt man den Tod gerne mit der Metapher "letzte Reise". Schriftsteller Harald Grill schildert seine ganz persönliche Sicht der letzten Dinge im Leben.

Von: Harald Grill

Stand: 29.10.2016 | Archiv

Der Gevatter Tod ist als goldenes Skelett im Vorraum der Asamkirche in München zu sehen | Bild: picture-alliance/dpa / Amelie Sachs

Die Bayern nennen den Tod gerne den "Boandlkramer". In Franz von Kobells "Gschicht vom Brandner Kasper" und dem daraus entstandenen Roman und Bühnenstück "Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben" von Kurt Wilhelm taucht er als kauzige, bisweilen sogar hilflos-liebenswerte Gestalt auf. Damit nimmt er dem Tod viel von seinem Schrecken.

"Wenn es schon sein muss, und es muss ja sein, dann wenigstens lass es schnell geschehen, oh Herr, lass uns nicht lange leiden. Anfang und Ende, Leben und Tod sollen zusammenpassen."

(Harald Grill)

"Oft denk' ich an den Tod, den herben,
Und wie am End' ich's ausmach?!
Ganz sanft im Schlafe möcht ich sterben
Und tot sein, wenn ich aufwach!"

(Carl Spitzweg)

Die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross

"Die Angst vorm Sterben führte die Schweizer Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross auf die Angst vor dem Leben zurück. Es gebe zu wenig Urvertrauen in die Schöpfung. Das sei bei den alten Indianern, den Aborigines in Australien, den alten Leuten in Hawaii, aber auch bei den alten Bauern in Europa ganz anders gewesen. Sie schauten am Ende ihres Lebens auf ihr Land und auf ihre Arbeit und wussten, dass sie sinnvoll gelebt haben. Mit dieser Gewissheit habe man keine Angst vor dem Tod. Ein authentisches Leben sei die beste Voraussetzung für ein gutes Sterben, meinte die Sterbeforscherin."

(Harald Grill)

Die "letzte Reise" in mobilen Zeiten

Sarg im Auto eines Bestattungsunternehmers

Früher wurden eine Reihe zum Teil geheimnisvoller Rituale um das Sterben praktiziert, die den Angehörigen Halt gaben und mit denen sie Trauer und Abschied besser zu bewältigen hofften. In der heutigen Zeit passt am besten das Bild von der "letzten Reise". Haben wir es doch mit aufgeklärten mobilen Menschen zu tun. Ob sie in den Urlaub hetzen oder von Termin zu Termin, sie sind immer unterwegs. So ist auch der Tod von Angehörigen eine Art Abreise. Es geht es um ein gut durchorganisiertes, würdiges Abschiednehmen. Man wendet sich an spezielle "Reiseunternehmer", Begleiter, die jederzeit auf Sonderwünsche eingehen.

Naturfriedhöfe und Urnenregeale

Der Naturfriedhof "Ruheberg" in Oberried (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) war der erste seiner Art in Deutschland

Während früher nur getaufte Christen in der geweihten Erde der Friedhöfe bestattet werden durften, reicht die Demokratisierung längst auch ins Reich der Toten. Alle haben das Recht auf einen würdigen letzten Platz. Es gibt zudem neue Formen wie Urnenregale oder Naturfriedhöfe. Der Fantasie sind fast keine Grenzen mehr gesetzt. Gern würden wir sagen: "Komm gut heim!" Aber im eigenen Garten darf bei uns niemand begraben werden.

So machen sich viele Menschen auf die Suche nach einer Alternative zum herkömmlichen Friedhof. Sie wollen nicht noch im Tod ihren Reichtum zur Schau stellen. Sie sind auf der Suche nach einer schlichten und zugleich würdigen Art von Bestattung. Gleichen doch manche Friedhöfe großen Parkplätzen, auf denen die Toten abgelegt werden, einer neben dem andern in Gräbern, die oft genug Luxuskarossen gleichen, oder in Urnenfächern, die wie Schließfach-Wände auf Bahnhöfen ausschauen. Der Diplomkaufmann Jürgen Kölbl hatte, als sein Vater starb, die Vision eines Naturfriedhofs, denn der Vater war ein Waldgänger und Wanderer gewesen …

"Da geht’s etz net drum, dass ein Verstorbener irgendwo abgelegt wird und sein Grab oder ein bestehendes Grab genutzt wird, sondern dass eine Individualität erhalten wird, dass man selber bestimmt, wo, in welchem Bereich man liegen will. Hier im Naturfriedhof hat man die Möglichkeit viele Plätze zu entdecken – es ist ja nicht so, dass hier vorgefertigte Stellen Pflicht sind – sondern man kann jeden Platz wirklich auswählen. Ob das jetzt ein Baum ist, den man sucht, oder einen Felsen den man sucht, oder ein sonstiges Plätzchen, wo man sagt, hier soll der Platz für meine letzte Ruhe entstehen, hier wird er dann auch zur Verfügung stehen."

(Jürgen Kölbl)

"Eingehen ins Himmelreich"

Wohin die letzte Reise geht, darüber wird es auch in Zukunft verschiedene Ansichten geben. Fest steht: nach der ganzen Hetze tritt Ruhe ein. Für die einen ist es die "ewige Ruhe" oder das "Eingehen ins Himmelreich", für die anderen heißt es schlicht: "Aus is’ s und gar is’ s und schad is’ s, dass wahr is".