Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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6) Der Schmied "Bayerische Berufungen und Instanzen"

Der Schmied - eine Institution. Aber wie es mit Institutionen halt so ist - sie müssen da sein. Auch wenn sie eigentlich schon nicht mehr da sind. - Thomas Grasberger folgt dem schwefligen Geruch von Schmiedekohle und den Klängen der Hämmer, die bis heute aus den Werkstätten zu vernehmen sind.

Von: Thomas Grasberger

Stand: 03.09.2016 | Archiv

"Da gibt's jetzt tatsächlich langsam die Tendenzen, dass die Menschen wieder wegkommen von der Ikea-Welt, von allem gleich, von allem Normierten, und sich tatsächlich im Zuge der Landlust, der regionalen Ernährung, der Rückbesinnung auch wieder besinnen auf Dinge, die persönlich sind, langlebig sind. Und deswegen ist der Schmiedeberuf wieder sehr im Kommen. Es rächt sich, dass vor vielen Jahren zu wenig ausgebildet worden ist. Denn die Leute fehlen heute."

(Peter Elgaß, Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift 'Héphaistos')

Der Schmied von Kochel - Inbegriff seiner Zunft

Schmied von Kochel-Denkmal

Den muskulösen Oberkörper entblößt, schwingt er mit grimmigem Blick und dichtem Rauschebart seinen Hammer über der Hitze der Esse. Der Schmied ist die Personifikation des bodenständigen, hart arbeitenden Mannes. Einer, der auch mal voranmarschiert, wenn´s ernst wird – wie einst der legendäre Schmied von Kochel, der in Bayern zum Inbegriff seiner Zunft wurde. Das Klischee hält sich wacker und prägt unser Bild vom Berufsstand bis heute. Dabei wird schnell übersehen, dass der Hüter des Feuers und Gestalter des Eisens immer mehr war als nur ein Kraftprotz und "Hau Drauf". Nämlich ein kreativer Handwerker, ein feinfühliger Künstler und geheimnisumwitterter Bewahrer alten Wissens um besondere Kulturtechniken.

Kämpfer gegen Massenware und Wegwerfkultur

Michael Ertlmeier (l.) und Hans Reif

Michael Ertlmeier und Hans Reif arbeiten an einem neuen Kunstprojekt. Eine Drachenskulptur, die bald in einem Park bei München stehen wird. Der Tatzelwurm aus Eisen und dickem Blech soll 20 Meter lang werden. Kopfhöhe vier Meter. Eine spannende Aufgabe für die beiden, die stolz auf ihr Handwerk sind. Schmiede verstehen sich heute auch als Kämpfer gegen Massenware und Wegwerfkultur. Nicht mit dem Baumarkt-Katalog rücken sie bei ihrer Kundschaft an, sondern mit Bleistift und Papier. Und dann wird etwas Neues entworfen und kreiert. Kein Eisen von der Stange! Sondern Handarbeit, individuell gestaltet.

"Ich glaube, viele von uns Schmieden, die wirklich noch Schmiede sind, sind kleine Freigeister. Also ich auf alle Fälle, und da steh ich auch voll und ganz dazu. Also ich hab ein bisschen Bauchweh manchmal mit unseren Verbänden, wenn ich seh, was da auf uns zukommt, was die uns aufdrücken in einer gewissen Hinsicht. Alles über EU-Normen regeln zu müssen, bei uns, in unserem Land , in Deutschland - irgendwo leidet da schlicht und ergreifend auch einmal die Kreativität darunter."

(Michael Ertlmeier)

Spezialist und Allrounder in einem

Seit 3000 Jahren ist der Schmied eine Institution. Schließlich produzierte er nicht nur die materiellen Grundlagen für die Entwicklung unserer Zivilisation, er schmiedete auch jene kostbaren Waffen, die für Krieg und Zerstörung herhalten mussten. Ein Berufsstand also, der immer auch eine mythische Dimension hatte. Denn wer tagein tagaus in Rauch, Schwefel und Hitze aus rotglühendem Eisen Neues schaffte, der stand nicht selten im Ruch, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Aber weil dieser Magier seinen Mitmenschen durch sein umfassendes Wissen oft um einen Schritt voraus war, hatte der Schmied schon in frühesten Gesellschaften immer auch eine besondere Stellung. Bis in die jüngste Zeit hinein stand die Schmiede buchstäblich in der Mitte des Dorfes. Ob für Rüstungen, Hufe, Töpfe oder Schwerter, immer war der Schmied gefragt, als Spezialist und Allrounder in einem.

Der Hammerschmied von Burghausen

Frank Wagenhofer

Erstmals erwähnt wurde die Hammerschmiede von Burghausen im Jahr 1465. Die reichen bayerischen Herzöge blickten damals von ihren Amtszimmern direkt hinunter auf die Kamine der Waffenwerkstatt. Lanzen, Rüstungen, Hellebarden - zahlreiche Kämpfer mussten ausgerüstet werden. Es gab immer viel zu tun für den Waffenschmied des Herzogs. Vor allem in Zeiten des Säbelrasselns.

Heute geht's hier recht friedlich zu, fast idyllisch. Gespeist von über 30 Quellen schickt ein Stauweiher sein eiskaltes Wasser über ein großes Mühlrad, das über einen Lederriemen einen fast mannshohen Schleifstein antreibt. Wie vor 500, 600 Jahren.

Hausherr der - in sechster Generation - familieneigenen Hammerschmiede ist Frank Wagenhofer. Im Hauptberuf arbeitet der 44-Jährige als Elektrikermeister und Administrator für Mittel- und Hochspannungstechnik. Aber in seiner Freizeit flieht Wagenhofer gern in die vorindustrielle Vergangenheit. Frank, seine Frau Gerlinde und die beiden Kinder sind aktiv in der Mittelalterszene. Märkte, historischer Verein, Burgfeste. Da gibt's natürlich viel zu tun für den gelernten Klingenschmied: Waffen, Fahnenstangen, Feuerkörbe oder Fackelhalter. Geschmiedet inmitten eines historischen Ambientes.

"1809 ist ja Napoleon durchgezogen und hat die Region regelrecht leergefressen - und da hat damals ein ziemliches Gemetzel beim damaligen Waffenschmied stattgefunden. Ich war gottseidank nicht dabei, aber die Tür könnte uns einiges erzählen. Da steckt nämlich immer noch ein Bleiprojektil drin."

(Frank Wagenhofer)

Der Beruf lebt weiter

Und heute? Die traditionellen Huf-, Grob-, Kessel- oder Kupferschmiede sind eher selten geworden. Aber allen Unkenrufen zum Trotz ist der Schmied nicht ausgestorben, auch wenn er heute anders heißen mag. Trotz zahlreicher Wandlungen und Krisen – er lebt.


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