Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Park-Landschaften Die Natur zwischen Kunstwerk und Wildnis

Parks sind Orte der Sehnsucht nach Harmonie und der Versöhnung mit der Natur. Harald Grill war mit Dieter Wieland und Hubert Weinzierl in zwei besonderen Parks unterwegs: im Murnauer Seidlpark und im "wilden" Garten von Schloss Wiesenfelden.

Von: Harald Grill

Stand: 15.04.2017 | Archiv

Das Hermenrondell im Seidl-Park in Murnau | Bild: Rufus46

Seit der Vertreibung aus dem Paradies kämpfen Menschen gegen die Wildnis und versuchen sich die Erde untertan zu machen. Das führte zur gnadenlosen Ausbeutung der Lebensräume. Parallel dazu gab es immer auch Versuche, den Idealzustand des Paradieses wiederherzustellen. Das reicht von der domestizierten Natur der Barockgärten, über die Hausgärten bis zu den Landschaftsparks. Ob Englischer Garten, Olympiapark, Bundes- oder Landesgartenschauen, es geht im Grunde immer um die Sehnsucht nach Harmonie und die Versöhnung mit der Natur.

Der Murnauer Seidlpark in grandioser Alpenkulisse

Der Architekt und Ingenieur Emanuel von Seidl (1856-1919)

Dieter Wieland hat sich mit seinen Filmen und Büchern unermüdlich für eine Wiederherstellung dieser Harmonie in Architektur und Gartengestaltung eingesetzt. Er kümmert sich zusammen mit dem "Förderkreis Murnauer Parklandschaft" um die Rekonstruktion des Landschaftsparks, den Emanuel von Seidl um 1900 bei seinem Landhaus in Murnau inmitten der grandiosen Alpenkulisse errichtet hat, die auch Künstler wie Franz Marc, Wassily Kandinsky und Gabriele Münter angelockt hat. Bei Seidl wurde der Park zum ganzheitlichen Kunstwerk, das mit geschwungenen Wegen, Plätzen zum Verweilen, mit Sichtachsen und Ausblicken sowohl die Landschaft als auch die Möglichkeit kulturellen Lebens mit Musik- und Theaterfesten einbezieht.

"Ich finde, Parks sind so notwendig wie noch nie"

Dieter Wieland

Dieter Wieland, der Kulturhistoriker, Dokumentarfilmer und Autor hat seit den 1970er Jahren die Wahrnehmung einer ganzen Generation geschärft und geprägt. In seinen Büchern und Film-Reihen wie "Topographie" oder "Unser Dorf soll hässlich werden" hat er unerbittlich vorgeführt, wie dumm sich ein Volk anstellen kann, wenn es um Sensibilität und Geschmack im Umgang mit Heimat und Natur geht. Gleichzeitig war er stets auf der Suche nach dem Schönen und der Harmonie in Architektur und Gartengestaltung.

"Je teurer die Grundstücke werden, je weniger Menschen sich einen Garten leisten können, je mehr man auf engsten Raum zusammenleben muss, je weniger man aus dem Auto aussteigen kann, wenn man zur Arbeit pendeln muss, weil die Arbeit irgendwo ist, nur nicht in meiner Nähe, weil das Geschäft irgendwo ist, aber nicht in meiner Nähe … Wir haben gar keine andere Chance mehr zu Fuß zu gehen, als in einem Park. Luft zu schnappen, Vögel zu hören, sogar Sterne zu sehen. Ich finde, Parks sind so notwendig wie noch nie."

(Dieter Wieland)

Die Notwendigkeit, natürliche Refugien zu schaffen

Hubert Weinzierl, ehemaliger Vorsitzender des Bundes Naturschutz

Hubert Weinzierl ehemals Vorsitzender des Bundes Naturschutz, Mitinitiator des Nationalparks Bayerischer Wald, ist wie Dieter Wieland seit Jahrzehnten ein Kämpfer für ein harmonisches Zusammenleben von Mensch und Natur. Hundert Jahre nach Seidl sieht er mehr denn je die Notwendigkeit natürliche Refugien zu schaffen und plädiert für mehr "Mut zur Wildnis". Denn in einer Welt, in der Geschäftemacher das immer noch positiv besetzte Wort "Park" für ihre Business-Parks, Entsorgungsparks, Vergnügungsparks, Einkaufsparks missbrauchen, schmilzt rapide der Vorrat an intakten Landschaften.

Der Autor Harald Grill

"Worum geht es mir als Besucher eines Parks?

Es geht mir ums Innehalten. Es geht mir darum, das Ganze zu überschauen und gleichzeitig jedes Detail wie unter der Lupe betrachten zu können. Ob es jetzt die überhöhte Landschaft des angelegten Parks ist oder die sich selbst überlassene, die sich frei entwickelnde Natur. Beide haben ihre Berechtigung. Beide bieten uns Erfahrungsräume, in denen wir lernen können durchzuatmen, genau hinzuschauen, hinzuhören, um auch die kleinsten Veränderungen wahrzunehmen.

Was für ein Glück, dass die Zeit nicht nur gradlinig dahingeht. Draußen im Garten oder im Park entdecke ich den zyklischen, den sich wiederholenden Ablauf der Zeit. Die Jahreszeiten treten in den Vordergrund.

Schon fliegt der Frühling auf und davon. Und schau, wie schnell der Sommer entwischt, einfach so vorbeiwischt, so als wäre er der Höhepunkt des Jahres, grad so wie es vor ihm schon der Frühling gewesen ist.

Und während ich noch das Gefühl habe, innezuhalten, wird mir bewusst: schon bald stehe ich dem Herbst gegenüber. Und dann werd ich mich fragen: Wann haben eigentlich dieses Jahr die Amseln aufgehört zu singen?

Jedes Jahr eine neue Chance!
Was ich in diesem Jahr übersehe, entdecke ich vielleicht im nächsten.

Ob schnell oder langsam, ob kurzlebig oder langlebig, es geht darum, das Gleichgewicht zu finden, auch dort, wo es um Kunst und Kultur geht. Wir versuchen es Jahr für Jahr von Neuem."

(Harald Grill)


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