Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Heimat im Film Alte Klischees - neue Wirklichkeit

Heimatfilme - das können Krimis sein, Soap Operas, Historiendramen, kritische Studien über das Leben in der Provinz: die gegensätzlichsten Arbeiten; einige gehören zu den schlichtesten Produkten audiovisueller Kultur, einige aber auch zu den besten. - Markus Metz und Georg Seeßlen sind dem Heimatfilm zwischen alten Klischees und neuen Wirklichkeiten auf der Spur ...

Von: Markus Metz und Georg Seeßlen

Stand: 14.04.2012 | Archiv

Plakat für "Dahoam is Dahoam" | Bild: picture-alliance/dpa

In den fünfziger und sechziger Jahren trug der Heimatfilm bei zum Trost und zur Versöhnung einer Gesellschaft, die mit der Vergangenheit nicht umgehen konnte und in der Gegenwart schon wieder neue Konflikte erzeugte. Die Idyllen von schönen Sennerinnen, grimmigen Wilderern und braven Förstern, von Kinderglück und Bauernstolz, aber auch vom beginnenden Tourismus und von der maßvollen Modernisierung des Landlebens strotzen auf den ersten Blick nur so vor falscher Sentimentalität, Realitätsverweigerung und Klischees.

Zwischen "Blut und Boden" und amerikanischem Western

Barbara Rütting als "Geierwally" (1956)

Auf den zweiten Blick freilich sieht man, dass auch in diesem Genre sehr unterschiedliche Bilder entstanden: nicht selten wurden hinter den Klischees durchaus soziale Probleme und moralische Streitpunkte der Nachkriegsgesellschaft behandelt. Unter den gut 200 Filmen, die damals unter der Bezeichnung „Heimatfilm“ vermarktet wurden, gibt es welche, die wie Neuauflagen des faschistischen Blut- und Boden-Kitsches wirken, und ebenso welche, die ihre Lektionen vom amerikanischen Western oder vom italienischen Neorealismus zu lernen versuchten.

Schlager-Revuen und Jodel-Sex-Filme

Die vehemente Ablehnung des Genres durch die Kritik und natürlich durch den Neuen Deutschen Film führte in den siebziger Jahren dazu, dass sich der Heimatfilm in Schlager-Revuen und Jodel-Sex-Filmen buchstäblich auflöste. Aber zur gleichen Zeit entstand auch der "Neue Heimatfilm", mit dem junge Regisseure und Autoren gesellschaftskritisch Stellung bezogen oder die Region als Ort von Identität und Verantwortung hochhielten.

Ein Vertreter des "Neuen Heimatfilms": Marcus H. Rosenmüller

Marcus H. Rosenmüller

Marcus H. Rosenmüller hat mit der Komödie „Wer früher stirbt, ist länger tot“ im Jahr 2006 einen der größten Erfolge des neuesten deutschen Heimatfilms gedreht. Das Geheimnis dieses Erfolges ist es wohl, dass hier im Gegensatz zu den Vorgängern nichts von der Last der Geschichte und der Belastung des Begriffs Heimat zu spüren ist. Es wird unbekümmert erzählt, und der Blickwinkel ist der von jungen Leuten, genauer gesagt von Kindern.

Die Gleichung "Heimatfilm = Klischee von gestern" ist falsch

Heute sind „Heimatkrimis“ erfolgreich, heimatliche Comedy-Serien, Soap Operas, Telenovelas und heimatliche Historienfilme neben „kritischen Heimatfilmen“, Provinz-Satiren und Studien provinziellen Lebens und provinzieller Charaktere. - In Gesprächen mit Regisseuren, Kritikern und Historikern zeigen Markus Metz und Georg Seeßlen, dass die Gleichung ‚Heimatfilm = Klischee von gestern’ falsch ist. Mehr denn je finden sich heute unter diesem Begriff die gegensätzlichsten Arbeiten, einige davon gehören zum Scheußlichsten der audiovisuellen Kultur in Deutschland, einige aber auch zum Besten.


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