Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Die Haushälterin Im Hintergrund ganz vorne

Heutzutage werden Frauen Bundeskanzlerin oder Verteidigungsministerin. Ganz anders vor zweihundert Jahren: zu tausenden kamen sie vom Land in die Städte, um dort eine schattenartige Existenz zu führen. Euphemistisch nannte man sie "dienstbare Geister", tatsächlich jedoch waren sie weitgehend rechtlose Hausangestellte, Teil des Inventars sogenannter "gutbürgerlicher" Haushalte. Ein solches "Faktotum" hatte stets zur Stelle zu sein, ohne je in Erscheinung treten zu dürfen. Das galt auch und besonders für die Haushälterin …

Von: Thomas Kernert

Stand: 08.11.2014 | Archiv

Haushälterin | Bild: picture-alliance/dpa

In modernen Küchen wird nicht einfach nur gekocht. In modernen Küchen wird gebacken, gegrillt, getoastet, gemixt, gemahlen, gequirlt, geknetet, zerhackt, eingelegt, aufgeschäumt und ausgepresst. Das meiste davon erledigen Haushaltsgeräte, die sich mit kaum mehr als einem Tastendruck, einem Fingertipp, einer Drehbewegung bedienen lassen. Ohne sie wären wir hilflos. Ohne sie besäße unser Leben eine andere Geschwindigkeit, eine andere Form, eine andere Richtung. Es sei denn, wir hätten eine oder mehrere menschliche Maschinen zur Verfügung, die heimlich, still und leise im Hintergrund dafür sorgten, dass alles im Haus funktioniert und man sich ganz auf die "wichtigeren Dinge" im Leben, auf Arbeit, Beruf und Freizeit konzentrieren kann. Maschinen, wie es sie vor allem im 19. Jahrhundert gab. In einem bayerischen Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch aus dem Jahr 1900 heißt es:

"Unter Dienstboten versteht man diejenigen Personen, die sich persönlich zu fortlaufenden häuslichen Verrichtungen oder persönlichen Dienstleistungen dem Dienstberechtigten gegenüber gegen Gewährung einer genau bestimmten Vergütung verpflichten und zugleich in häuslicher Gemeinschaft mit dem Dienstberechtigten leben."

(BGB, 1900)

Sie stand ein Leben lang der gutbürgerlichen Familie zur Seite

Köchin und Hausangestellte trinken anlässlich einer Geburtstagsfeier Kaffee (1920)

Oft kam sie als junges Mädchen vom Land in die Stadt, schuftete bereits als 14-Jährige 15 Stunden und mehr am Tag, putzte, wusch Wäsche, schleppte Wasser, räumte auf und schlief in der Küche oder im Hängeboden. Als sogenannter "dienstbarer Geist" führte sie eine schattenartige Existenz, hatte immer zur Stelle zu sein, ohne je in Erscheinung treten zu dürfen. Ihr Arbeitsplatz war der Hintergrund, in dem sie ein Leben lang der gutbürgerlichen Familie "zur Seite stand". Die Rede ist von der Haushälterin.

Oft landeten Haushälterinnen im Bett des Hausherren

Haushälterin mit Staubsauger (1906)

Im Hintergrund kann man freilich auch "hintergründig", sprich "mehrdeutig" und "vielsagend" werden. Ist dies etwa einer der Gründe, warum so viele Haushälterinnen, vor allem im 18. und 19. Jahrhundert, irgendwann im Bett des Hausherrn landeten? Berühmte Beispiele sind Helene Demuth, mit der Karl Marx ein uneheliches Kind hatte. Oder die "kleine Stechardin", die Haushälterin Lichtenbergs. Als sie starb, war sie gerade 17 Jahre alt - heute eindeutig ein Fall für den Richter. Ganz anders verhielt sich die Sache bei Pascalina Lehnert aus Ebersberg. Als Haushälterin von Papst Pius XII. schaffte es die intelligente Bayerin vom Hintergrund an den Schreibtisch des Oberhirten. Lange Zeit galt sie als äußerst einflussreich im Vatikan.

Die Modell-Karriere der Pascalina Lehnert aus Ebersberg

Ordensschwester Pascalina Lehnert

Im zarten Alter von 15 Jahren trat die Tochter eines Postbeamten in den Franziskanerorden ein, lernte Putzen, Nähen und Kochen. 1918 schickte sie ihr Orden dann nach München, um für Nuntius Pacelli den Haushalt zu führen. 21 Jahre später wurde Eugenio Maria Giuseppe Giovanni Pacelli Papst Pius XII. und Pascalina war immer noch bei ihm. Auf den römischen Märkten soll sie mit dem Argument gehandelt haben: "Aber das ist doch für den Heiligen Vater!"
Darüber hinaus leitete sie ab 1944 ein international tätiges, päpstliches Hilfswerk und verfügte über wachsenden Einfluss im Vatikan. Einmal soll die "virgo potens", die "mächtige Jungfrau" gar einem französischen Kardinal mit Hilfe der Schweizer Garde die Tür gewiesen haben. Wie im Fall Schopenhauer-Schnepp kontrollierte auch Madre Pascalina in den letzten Lebensmonaten von Pius XII. dessen Kontakte zur Außenwelt. Pascalina Lehnert starb 1983. 2010 verfilmte das ZDF ihre Geschichte in dem Zweiteiler "Gottes mächtige Dienerin" mit "Superweib" Christine Neubauer in der Titelrolle.


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