Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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2) Der Friseur "Bayerische Berufungen und Instanzen"

Der Friseursalon gehört zu den wunderlichsten Einrichtungen des täglichen Lebens. Hier geht es um viel mehr als nur um eine gewöhnliche Dienstleistung am Kunden. Den Auftrag zur Runderneuerung nach der neuesten Fasson erteilt man nicht jeder oder jedem X-Beliebigen. Friseure sind Vertrauenspersonen, idealistische "Kopfarbeiter", die uns - und damit die Welt - ein wenig schöner machen wollen. Kein Wunder, dass Querköpfe wie Karl Valentin oder der Münchner Künstler Wolfgang Flatz den Friseursalon höherer ästhetischer Weihen für würdig befanden.

Von: Justina Schreiber

Stand: 06.08.2016 | Archiv

Von wegen Waschen, Schneiden, Legen! Eine gute Friseurin bietet mehr. Ein geneigtes Ohr zum Beispiel oder ein vertrauliches Gespräch. Die Kundschaft soll sich schließlich rundum wohlfühlen; auch wenn der Lohn für das Handwerk unterm (Bürsten-)Strich eher schlecht ist und Billig-Konkurrenz die Preise verdirbt.

"Wie viele kleine, wie viele furchtbare Geheimnisse bergen die 42.000 bayerischen Friseure und Friseurinnen wohl in ihren Herzen?"

(Justina Schreiber)

Die Welt ein bisschen schöner machen ...

Warum bloß kümmern sich Damen- und Herrenfriseure so selbstlos um die Köpfe anderer Menschen? "Hairgott" noch einmal! Die kreativen Namen moderner Salons weisen die Richtung: Haarstylisten verstehen sich im Grunde wohl als idealistische Künstler, die die Welt ein klein wenig schöner machen wollen. Besonders in Bayern scheinen die Grenzen zwischen den Genres fließend zu sein. Immerhin erachteten Künstler wie der Münchner Performer Wolfgang Flatz oder der Komiker Karl Valentin den Friseursalon höherer ästhetischer Weihen für würdig.

Friseursalon "Projekt - Project"

Innenansicht des Friseursalons "Projekt project"

Im Münchner Friseursalon "Projekt - Project" ist die Zeit stehen geblieben - noch dazu in verschiedenen Epochen. Der Künstler Wolfgang Flatz hat den Salon 1984 für seine damalige Freundin Rosana eingerichtet, eine Friseuse, wie man früher sagte … Ate Purrmann und Anschi Berg haben den Laden vor 20 Jahren übernommen.

"Das sind die Blitzmöbel vom Flatz, so nennt sich die Serie. Die beiden Schneidestühle, die haben wir mitgebracht und haben nur die Fußstützen dranschweißen lassen, hier ist ja sehr viel aus Metall. Der Stuhl da hinten ist ein echter Barbier-Baderstuhl aus dem mittlerweile vorletzten Jahrhundert, man kann sich vorstellen, dass da vielleicht noch Zähne gerissen wurden. Es ist einfach eine Zusammenstellung aus historischen Stühlen, hier haben wir eine 50er Jahre-Theke, da hinten gibt es einen Stuhl dazu, auch 50er Jahre."

(Ate Purrmann)

Hinter den Gesichtern lauern Abgründe. Unter den Haaren arbeiten Gehirne … undercover. Es scheint beinahe zwangsläufig zu sein, dass der bekannteste bayerische Tatort-Kommissar aus einem Münchner Friseursalon hervorging.

Udo Wachtveitl über seine Kindheit im Friseursalon:

Udo Wachtveitl

"Das war ein ziemlich großer Friseursalon, Barer-/Ecke Nordendstraße, die technische Adresse war, glaube ich, Georgenstraße 41. Und, das war zur Hochzeit, da hatte der 13 Angestellte, das war ein ganzer Haufen und es war im besten Sinne ein Familienbetrieb. Mein Vater und meine Mutter haben sich auch über das Frisieren beziehungsweise den Friseursalon kennengelernt. Der wurde nämlich erweitert um eine Kosmetikabteilung und meine Mutter war Kosmetikerin und ist dann da in dem Friseursalon angestellt gewesen und dann naja ... passierte eben das Übliche, jedenfalls das Nicht-So-Seltene. In späteren Zeiten hat sogar noch meine Großmutter mütterlicherseits an der Kasse mitgewirkt, also das war eine recht familiäre Geschichte. - Wie hieß der Laden? - Friseursalon Wachtveitl, so wie ich Schauspielbüro Wachtveitl heiße."


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