radioTexte am Dienstag Albert Camus: Der Mensch in der Revolte

Vor 100 Jahren wurde Albert Camus geboren
Philosoph, Widerstandskämpfer, Nobelpreisträger.’ homme révolté
Ein Essay über den Begriff der Revolte und das mittelmeerische Denken

Vor fünfzig Jahren erschien zum ersten Mal in deutscher Sprache Albert Camus‘ großer Essay "Der Mensch in der Revolte". Der Philosoph und Schriftsteller setzt sich darin mit dem Unterschied zwischen Revolution, Rebellion, Revolte sowie den verschiedenen Formen des Revoltierens auseinander und entlarvt die prägenden politischen Utopien seit Anfang des 19. Jahrhunderts als Konstruktionen von Gewalt und Legitimationen von Mord. Vor allem der abschließende Teil dieses langen und wenig bekannten Essays, den Camus als Das mittelmeerische Denken überschrieb, dient heute als faszinierende Blaupause für drei der großen historischen Ereignisse unserer Gegenwart: erstens für die Wut und Empörung der Bürger aller Nationen und für die Sehnsucht der Völker nach Partizipation an politischen Prozessen; zweitens für Motive und Motivationen der sogenannten "Arabellionen" im maghrebinischen wie nahöstlichen Mittelmeerraum; drittens für die Forderung nach Stärkung des lateinisch-mittelmeerischen Geistes gegenüber der germanisch-protestantischen Vorherrschaft.
Das mittelmeerische Denken ist eine abermalige Absage an die Theorie sinnvoll ablaufender Geschichte und untermauert eindrucksvoll Camus’ Philosophie des Absurden. Der große Denker der Freiheit untersucht darin das Verhältnis von Revolte und Mord, von Maß und Maßlosigkeit; leidenschaftlich verwahrt er sich im Namen der Wirklichkeit gegen jede Form des Absoluten in Gestalt von Autorität und Gewalt. Christian Schüle liest den Text auf die aktuelle Krisensituation Europas sowie die Spannungen zwischen den Nord- und den Südländern hin und kommentiert Camus’ Begriff der Revolte im geistesgeschichtlichen Kontext unserer Tage.Moderation Antonio Pellegrino