Bayern 2

     

radioTexte - Das offene Buch "salam, yamen" - "Lieber Said" - ein Dialog (2/2)

Yamen Hussein vor der zerstörten Stadt Homs, Said vor einem Kriegsbild aus Teheran | Bild: picture-alliance/dpa, Cornelia Zetzsche; Montage: BR

Sonntag, 12.03.2017
11:00 bis 11:30 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Der iranisch-deutsche Dichter Said, der vor Jahrzehnten den Schergen des Schahs und Khomeinis entkam und der syrische Dichter und Exilant Yamen Hussein tauschen sich aus über Flucht und Ankunft, Heimatverlust und Sprache, Gewalt und Poesie.
Ein Gespräch in Briefen und Gedichten, vor der ersten Begegnung am 9. März 2017 im Literaturhaus München
Live Musik: Roman Bunka (Oud)

Sie leben in einer Stadt und kennen sich nicht. Der eine ist halb so alt wie der andere, aber beiden gemeinsam ist die Ankunft in der Fremde. Yamen Hussein, Mitte dreißig, floh 2013 aus Syrien und kam 2014 über den Libanon und die Türkei nach Deutschland. Der Dichter Said, 70, stammt aus Teheran, wollte 1965 in München studieren und blieb „als flüchtling, seit beinah fünfzig jahren“, wie er schreibt.

Said, der im Deutschen seine Heimstatt fand, seine Lingua Franca und seit 1975 seine literarische Ausdrucksform, wandelte sich vom Technik-Studenten zum Poeten, wurde Chamisso-Preisträger, war zwei Jahre PEN-Präsident und macht, in Lyrik und Prosa, immer wieder auch autobiographisches Material zum literarischen Stoff: die Kindheit in Teheran, die fremde Mutter, die er erst mit 43 Jahren kennenlernte, die Revolution der Islamisten unter Khomeini. „ salam yamen, sei du herzlich willkommen in deutschland, im territorium der deutschen sprache, seiner eigentlichen gastgeberin“, begrüßt er den Dichter und Journalisten

Yamen Hussein aus Homs, der mit kritischen Artikeln gegen die Eingriffe des Staates in die Pressefreiheit ins Visier der Machthaber geraten war, der von der Universität verwiesen, vom Geheimdienst verfolgt und bedroht wurde; der 2011 über die Proteste in Homs und Hama berichtet und das „Nabd Bündnis für die Jugend Syriens“ mitbegründet hatte. Ein politischer Kopf, ein Poet, ein Geflüchteter, dem „die Sprache, die Straßen und die Musik stets ein Trost waren“, der nun Deutsch lernt und sich als „Writer in Exile“, als Gast des PEN, einfügt in dieses für ihn neue Land; der zurück möchte und der Said antwortet: „Ich habe Angst, Du zu werden“, das heißt: ein „flüchtling seit bald fünzig jahren“. Aber mit dem Krieg in Syrien scheint seine Rückkehr ferner denn je.

Yamen Hussein und Said, zwei Literaten, Exilanten, Flüchtlinge. Beide kennen sich nicht, aber sie schreiben einander, auf Initiative des PEN, des Literaturhauses München und des Bayerischen Rundfunks. Am 9.März 2017 werden Sie sich auf der Bühne des Literaturhauses zum ersten Mal begegnen, zusammen mit Paul Herwig, der deutschen Stimme Yamen Husseins, und mit Roman Bunka, einem Virtuosen der Oud. Bis dahin schreiben sich beide Poeten, jeder in seiner Sprache, Arabisch und Deutsch, nehmen die Gedanken und Motive des anderen auf und schreiben sie fort: „der baum frißt … seine vögel auf, die ihn den herbst hindurch bewachten“, heißt es bei Said, und Yamen Hussein antwortet: „Der Baum, der den Vogel verschlungen hat,/ wurde abgeholzt und verbrannt, in der Hoffnung, ein Kind vor dem/ Erfrieren zu bewahren./ Es wurde gerettet./ Eine Woche später starb es bei einem Sarin-Angriff“ … „Die Zeit ist aus Blut“. - Bilder des Krieges, der Einsamkeit, der Trauer, der Hoffnung prägen diesen literarischen Dialog, übersetzt von Leila Chammaa und Kenan Khadaj. „radioTexte - Das offene Buch“ sendet zwei Folgen. Redaktion und Moderation: Cornelia Zetzsche.

Eine Kooperation des BR/ Bayern 2 mit dem PEN/ „Writer in Exile“ und dem Literaturhaus München