Bayern 2

Bayerisches Feuilleton Bavarian Blues

Sonntag, 09.10.2016
20:05 bis 21:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Bavarian Blues
Wenn bayerische Autoren Weltverdruss spüren
Von Bernhard Setzwein
Als Podcast verfügbar
Wiederholung vom Samstag, 8.05 Uhr

In seinem von Wehmut geprägten Abgesang "Leb wohl, geliebtes Volk der Bayern" schrieb Carl Amery schon vor Jahren, es gebe so etwas wie "den Generalbaß der Verzweiflung" im Wesen des Bajuwaren. Zuviel ist ihm im Laufe seiner Stammesgeschichte schon danebengegangen. Und dann noch die rein persönlich-privaten Katastrophen, die dazu kommen, wie Liebeskummer, Einsamkeit, unerklärliche Melancholie. Es gibt jedenfalls ausreichend Grund zu hadern, mit Gott und der Welt. Das weiß sogar das bayerische Volkslied und hält daher die "Weltverdruss-Polka" parat: "Wer hat denn ’s Glück so ungleich teilt? / I hob koa Haus, koa Bett / und a koa Hoamat net, / i bin der Weltverdruss, mit mir is’s g’feit."

Anders als beim Österreicher fällt das Klagelied des Bajuwaren wortkarg aus. "Die bairische Verzweiflung hängt in aller Regel wortlos und ohne Abschiedsbrief des Morgens im Heuboden", um noch einmal Carl Amery zu zitieren. Er spielt damit auf eine Szene aus Ludwig Thomas Bauernroman "Der Ruepp" an, ein Beispiel von vielen, in dem der "Bavarian Blues" literarisch eindrucksvoll gestaltet ist. Bernhard Setzwein, selbst Autor manch schwermütiger Roman- und Theaterstück-Passage, hat sich bei seinen bayerischen Kollegen umgesehen und ist sowohl bei Herbert Achternbusch als auch bei Oskar Maria Graf, bei Lena Christ und Kristina Schilke fündig geworden.

Letztere, russisch-stämmig und erst 30 Jahre alt, hat in ihrem Debüt, dem Erzählungsband "Elefanten treffen", Eindrücke ihres Aufwachsens im Bayerischen Wald geschildert, also in einem der Epizentren bayerischer Schwermut. Wie nicht anders zu erwarten, gehen russische und bajuwarische Melancholie eine solch hinreißende Verbindung ein, dass es fast schon wieder zum Schmunzeln ist. Denn ohne - wenn auch tiefschwarzen - Humor geht’s auch beim Weltverdruss nicht.

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

Das Bayerische Feuilleton erzählt keine Geschichten, die schon 100 Mal erzählt wurden. Alle Spielarten von Geschichte hinter den Geschichten sind möglich. Wir nutzen die Chance für Spott, Scherz, Satire und Ironie. Uns interessieren Themen, in denen sich reale Ortschaften mit Literatur und Kunst verbinden. Wir schätzen Originale in der schönen neuen Medienwelt der "Unauffälligen". Wir bieten radiophone Geschichten mit Gedankenstoff und Spielraum für Gefühle. Als journalistisches Genre hat das Bayerische Feuilleton eine anspruchsvolle Tradition.