Bayern 2

     

Zündfunk Generator Gespräch mit dem Historiker und Politologen Achille Mbembe

Sonntag, 20.12.2015
22:05 bis 23:00 Uhr

BAYERN 2

Über globale Apartheid, postkoloniale Zynismen und kapitalistischen Unsinn.
Ein Gespräch mit Achille Mbembe, Historiker und Politologe aus Kamerun.
Von Judith Schnaubelt
Internet: www.bayern2.de/zuendfunk
Als Podcast verfügbar

"Während Europa seine Tore zumacht, müssen wir unsere öffnen; nicht nur für jene Afrikaner, die sich in die Diaspora begeben haben und zurückkommen möchten. Wir müssen den Kontinent für andere, neue Migrationszyklen öffnen" Achille Mbembe
Was wie ein origineller Vorschlag im Vergleich zu den üblichen, oft ratlosen Debatten zum Thema Flüchtlinge, Migranten und Arbeitsnomaden klingt, ist ein dringlicher politischer Appell, die Grenzen in Afrika durchlässiger zu machen; ja, sie sogar "niederzureißen" als Erbe des Kolonialismus.
"Es ist unmöglich, dass Afrikaner doppelt bestraft sind. Sie können auf ihrem Kontinent nicht frei umherreisen. Und sie können sich von ihrem Kontinent nicht frei wegbewegen." Achille Mbembe
Mama Afrika, wie der Kameruner Achille Mbembe den Kontinent liebevoll nennt, müsste "theoretisch niemand verlassen, es gibt genug Platz und genug Ressourcen". Sein Wunsch ist sogar, dass sich zukünftig viele Einwanderer aus anderen Erdteilen in Afrika niederlassen.
"Er ist ein Visionär, einer der originellsten Denker seiner Zeit." Hans-Georg Küppers, Kulturreferent München
Achille Mbembe setzt sich bevorzugt mit Theorie und Praxis des Kolonialismus und Postkolonialismus auseinander. Zum einen als forschender Professor für Geschichte und Politik an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg, zum anderen als Autor komplexer langer Essays wie "Critique de la raison nègre".
2014 ist das Werk beim Suhrkamp Verlag auf Deutsch erschienenen. In "Kritik der schwarzen Vernunft" arbeitet Mbembe die Verbindungen von Kapitalismus, Sklaverei und Rassismus heraus. Für den Essay wurde ihm am 30. November 2015 der "Geschwister-Scholl-Preis" der Stadt München und des Börsenvereins des deutschen Buchhandels verliehen.
"Mbembes Buch ist aktueller denn je und seine klugenThesen und beunruhigenden Einsichten gehören insStammbuch eines jeden politisch denkenden Menschen." Michael Then, Vorsitzender des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, Landesverband Bayern e.V.
Die Preisverleihung fand im Hauptgebäude der Ludwig Maximilians-Universität statt. Wo sonst? Hier verteilten Hans und Sophie Scholl und andere Mitglieder der "Weißen Rose" einst ihre Flugblätter. Sie haben den Widerstand gegen Krieg und Naziregime mit ihrem Leben bezahlt.
Achille Mbembe war ebenfalls politisch aktiv als Student in Kamerun, musste das Land verlassen, um einer Inhaftierung zu entgehen; er trat die Flucht an nach Simbabwe, lernte dort viele Mitglieder des südafrikanischen ANC kennen, die dort im Exil lebten; Jahre später machte er sich weiter auf nach Paris, um da an der Sorbonne zu studieren. Heute ist Monsieur Le Professeur 57 Jahre alt, wirkt gar nicht professoral und hat es in München geschafft, während einer Fragestunde 90 Minuten lang die Konzentration einer Gruppe Studenten von der LMU zu bekommen. Anschließend hat er sich mit dem Zündfunk zum Gespräch getroffen und sich gerne bereit erklärt, die aktuelle Flüchtlingssituation in Europa und vieles mehr mal aus seiner "afrikanischen" Perspektive zu kommentieren.