Bayern 2

Bayerisches Feuilleton "Der amerikanische Schutzengel" Varian Fry

Varian Fry und Jacqueline Breton, 1940/41 in Marseille | Bild: picture alliance / kpa / 90061

Samstag, 16.09.2017
08:05 bis 09:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

"Der amerikanische Schutzengel"
Der Journalist Varian Fry
Von Ulrike Voswinckel
Wiederholung am Sonntag, 20.05 Uhr, Bayern 2
Bis 23.09.2017 als Streaming und in der Bayern 2 App verfügbar

Es hat viele Jahrzehnte gedauert, bis Varian Fry, der "Schutzengel der ganzen Sippe exilierter Intellektueller und Poetaster" (Walter Mehring) in das Bewusstsein einer Öffentlichkeit gedrungen ist, die nur Hollywoodproduktionen zur Zeitgeschichte wahrnimmt. "Schindlers Liste" war so ein Film, und im Zuge der Beschäftigung mit den Personen, die während der Schrecken der Nazizeit eine aufrechte Haltung oder sogar einen persönlichen Wagemut zur Rettung gefährdeter Menschen bewiesen haben, ist erst sehr spät der Amerikaner Varian Fry wiederentdeckt worden - zu spät für ihn, der 1940/41 alles daran gesetzt hat, die in die Falle geratenen deutschen, österreichischen und auch französischen antifaschistischen Flüchtlinge in Marseille zu retten.

Zu spät für ihn, der nach seiner von Vichy-Frankreich und dem amerikanischen State Department erzwungenen Rückkehr aus dem Hexenkessel Marseille unerwünscht war, zu engagiert, weil er wusste, wie bedroht die Zurückgelassenen waren, zu unbequem für ein Amerika, das nicht noch mehr Juden und kritische Intellektuelle aufnehmen wollte. Es waren nicht viele der von ihm Geretteten - Franz Werfel, Alma Mahler, Lion und Marta Feuchtwanger, Heinrich und Golo Mann, Marc Chagall, Max Ernst, Hannah Arendt, um nur ganz wenige der über 2000 zu nennen, die sich nach ihrer Ankunft in Amerika noch seiner erinnerten oder ihm explizit dankten.

Als Varian Fry 1945 sein grandioses Buch "Auslieferung auf Verlangen" über die abenteuerlichen Monate in Marseille zwischen Passfälschern und Fluchthelfern veröffentlichte, war der Krieg vorbei und kein Mensch wollte mehr etwas davon wissen. Und schlimmer noch - in der Mc Carthy-Ära geriet er in das Visier der Kommunistenhasser und bestritt sein Leben unglücklich und verbittert bis zu einem frühen Tod, von dem man nicht weiß, ob er ein Selbstmord war. Die späte Ehrung in Yad Vashem hat er nicht mehr erlebt.

Ulrike Voswinckel erinnert an einen amerikanischen Schutzengel - den Journalisten Varian Fry.

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