Bayern 2

hör!spiel!art.mix Peter Weiss: Abschied von den Eltern (3/4)

Freitag, 23.06.2017
21:05 bis 22:30 Uhr

BAYERN 2

Abschied von den Eltern (3/4)
Von Peter Weiss
Mit Robert Stadlober
Komposition: The Notwist
Regie: Karl Bruckmaier
BR 2013
Als Podcast verfügbar im Hörspiel Pool

"Die Sache mit der Wunschbiographie: In seiner Ästhetik des Widerstands spielt für Peter Weiss die Überlegung eine große Rolle, wie das eigene Leben verlaufen wäre, hätten sich nur ein paar wenige Parameter in seinem Lebenslauf verschieben lassen. Der namenlose Protagonist darf und muss sich durch ein Leben im Klassenkampf träumen, auch wenn er nie so recht über einen Beobachterstatus hinausgelangen kann. In Abschied von den Eltern, 1961, also gut zehn Jahre früher, veröffentlicht als der erste Band der Ästhetik, treffen wir im Gegensatz dazu auf den Versuch eines Rechenschaftsberichts über das in etwa tatsächlich so oder ähnlich verlaufene Leben des Dichters, ursprünglich einmal gerichtet an seine Lebensgefährtin Gunilla Palmstierna. Wie auch in der 10-teiligen BR-Hörspielfassung von der Ästhetik des Widerstands leiht Robert Stadlober in der Inszenierung von Abschied von den Eltern dem "Ich" seine Stimme; dramaturgisch und inszenatorisch unterstreichen wir damit die Ähnlichkeit des behandelten Sujets in beiden Werken, doch fehlt in Abschied von den Eltern das reflektierende Alter Ego, das in der Ästhetik durch Peter Fricke gegenwärtig war. Der junge Mann wird ohne Überbau klarkommen müssen, tasten, suchen, um Selbst-Verständnis ringen. Die acht Collagen, die Peter Weiss seinem zweiten bei Suhrkamp erschienenen Werk beigefügt hat, nehmen The Notwist - Meister der popmusikalischen Introspektion - zum Anlass, in kurzen Songs diesen Text aus der Hochzeit der Gruppe 47 mit einer heutigen
Klangästhetik zu versehen."
(Karl Bruckmaier)

Peter Weiss, geb. 1916 in Nowawes (heute Potsdam). Sohn eines jüdische Textilfabrikanten ungarischer Herkunft und einer deutschen Schauspielerin. Deutsch-schwedischer Schriftsteller, Maler, Filmemacher und Illustrator. 1934 Tod der Schwester Margit und Emigration über London nach Prag. Studium
der Malerei an der Prager Kunstakademie. 1938 Aussiedlung über die Schweiz ins Exil nach Schweden. Durch intensiven Briefwechsel mit seinem Idol Hermann Hesse, Bestärkung zur künstlerischen Arbeit. In den 30er-40er Jahren vorrangig Beschäftigung mit expressionistischer Malerei. Ab den 50er
Jahren erste kleinere Erfolge als Experimentalfilmer. 1960 Durchbruch mit Der Schatten des Körpers des Kutschers und Aufnahme in die Künstlerverbindung Gruppe 47. Auf die surrealistische Prosa folgen politische Werke analytisch-dokumentarischen Charakters. Zentral ist dabei die vergangenheitspolitische Aufarbeitung Europas in der Kunst. Weiss propagiert, Kunst und Leben nicht zu trennen. 1982, im Jahr seines Todes, sollte Weiss mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt werden, er erhält die Auszeichnung posthum. Werke u.a. "Dokument I/Der Vogelfreie. Erzählung" (1949), "Abschied von den Eltern. Erzählung" (1961), "Fluchtpunkt. Roman" (1962), "Die Ästhetik des Widerstands" (3 Bände; 1975, 1978, 1981), "Die Versicherung" (1971), "Hölderlin. Stück in 2 Akten" (1971). Hörspiele u.a. "Die Ermittlung" (ARD/DRS 1965), "Die Ästhetik des Widerstands" (BR/WDR 2007), "Der Schatten des Körpers des Kutschers" (BR 2009).