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"Einigkeit und Recht und Freiheit" 175 Jahre Deutschlandlied

Von: Hanno Hotsch

Stand: 26.08.2016

Hoffmann von Fallersleben | Bild: picture-alliance/dpa

Undemokratisches Deutschland

Frei denken, frei mit andern diskutieren – ohne Angst vor Spitzeln, Polizei oder Gefängnis wollte von Fallersleben. Am ehesten ging das für Hoffmann von Fallersleben im Ausland, denn Helgoland gehörte damals zu Großbritannien. Deutschland dagegen war weit entfernt von allem was man Rechtsstaat nennen könnte, es war zersplittert in viele Regionen, Bürger- und Menschenrechte waren sehr beschnitten.

Französische Werte

Aus den "Unpolitischen Liedern"

Wann bricht der Freiheit goldner Strahl in unsre Nacht hinein?
Wann endet unser Joch einmal, wann unsre Noth und Pein?

Hoffmann von Fallersleben

Während seiner Jugend hatte der junge Dichter in Fallersleben die französischen Besatzer kennenglernt mit ihren Werten „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Werte, von denen man in Deutschland nur träumen konnte. Genau das aber tat Hoffmann von Fallersleben. Ähnlich wie viele fortschrittliche Geister sehnte er die Überwindung von Willkür und Fürstenherrschaft herbei, ein einiges, demokratisches Deutschland – statt eines in 39 einzelne Fürstentümer zersplitterten Landes. Diese Träume schrieb er nach vielen Diskussionen mit Gleichgesinnten auf Helgoland auf – passend zu einer Melodie von Joseph Haydn.

Sehnsucht der Deutschen

Das Lied der Deutschen

Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält,
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt –
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt!

Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang –
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang!

Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand –
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!

Mit dem Text sprach er der Sehnsucht vieler aus dem Herzen. Sein Verleger Kampe kaufte ihm das dreistrophige Lied sofort ab – er druckte mehrere hundert Exemplare – die waren sofort vergriffen. Bei den Intellektuellen war Fallersleben schnell ein Star. Anders bei der Vielzahl der Fürsten. Ein einiges Deutschland stellte ihren Einfluss in Frage – der Ruf nach Recht bedrohte ihr Feudalsystem, der Ruf nach Freiheit  bedrohte ihre Macht. Und noch etwas anderes ärgerte sie: In seinen sogenannten „Unpolitischen Liedern“ griff von Fallersleben die Fürsten direkt an und verspottete sie. In einem Gedicht ruft er – gegen die Willkür der Fürsten – lautstark nach Freiheit:

1842, nur ein Jahr nach Erscheinen des Deutschlandliedes schlägt die Fürstenwillkür zurück – kurzerhand wird von Fallersleben seines Lehrstuhls an der Uni Breslau enthoben, die Zensurbehörde wirft ihm Verachtung und Hass gegen Landesherrn und Obrigkeit  vor – er wird zum politisch verfolgten Asylanten.

Endlich Nationalhymne

Erst 1922 wird sein „Lied der Deutschen“ Nationalhymne. 1933 strahlt der damalige „Deutschlandsender“ eine „Stunde der Nation aus“ – über die Insel Helgoland, den Geburtsort des Deutschlandliedes. NS-Sturmbannführer Ernst Ladiges spricht damals  zu den Helgoländern und allen Deutschen:

"Dann mag – von diesem Vorposten Helgoland – es trotzig hinausschallen in die Welt: Wo wir SA-Männer stehen, wo unsere Fäuste unsere Fahne umklammern, da ist Deutschland. Ein Deutschland, das die Welt wieder ehren und achten lernen soll, weil es seine Selbstachtung, seine Ehre wiedergewonnen hat. Unser Deutschland, unser Führer – Sieg Heil!"

NS-Sturmbannführer Ernst Ladiges

Von den Nazis missbraucht

Hatte Fallersleben die Idee eines nach innen geeinigten Deutschland über alles gestellt – stellten die Nazis nun Deutschland nach außen über alle anderen.  – So sehr verdreht war das -  so sehr war das Lied selber durch die Nazis, die Diktatur, den Krieg negativ besetzt dass viele es nicht mehr als Nationalhymne wollten. 1950 sagte zB der damalige Bundespräsident Heuss: Der Text sei zwar in seinem Ursprung ein Teil der deutschen Geschichte – aber:

"Das ungeheure Schicksal, das die staatlichen Zusammenhänge zerschlug, schuf einen Geschichtseinschnitt, der mit dem alten Sinn- und Wortvorrat nicht mehr umfasst werden kann."

Theodor Heuss

Die berühmte dritte Strophe

Er gab ein neues Deutschlandlied in Auftrag – das setzte sich beim Publikum aber nicht durch. Stattdessen führte Konrad Adenauer bei einem Auftritt 1950 im Berliner Titania-Palast die dritte Strophe der alten Hymne – im Handstreich wieder ein – und gab ihr neuen Sinn.

"Wenn ich Sie nunmehr, meine Damen und Herren, bitte, die dritte Strophe des Deutschlands liedes zu singen, dann sei uns das ein heiliges Gelöbnis, dass wir ein einiges Volk, ein freies Volk und ein friedliches Volk sein wollen."

Konrad Adenauer

Seit 1991 offiziell

Ganz offiziell Nationalhymne ist die dritte Strophe von Fallerslebens Deutschlandlied erst seit 1991. Das besiegelten Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einem Briefwechsel: Die Dritte Strophe des Hoffmann-Havdn’schen Liedes habe sich als Symbol bewährt und solle es bleiben.


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