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Nach dem Brexit Was sagt die britische Community in München?

Wir haben mit drei Menschen in München gesprochen, die von den Folgen des Brexits betroffen sind: George Low, weil er Brite ist und Billy van Rensburg und Bärbel Goldschmit, weil sie ihren Lebensunterhalt mit britischen Waren verdienen. Einer hat sich vor laut Wut fast selbst die Zähne ausgeschlagen …

Stand: 29.06.2016

Warenetikett | Bild: colourbox.com

George Low selbst durfte beim Referendum nicht mitabstimmen, weil er bereits über 15 Jahre im Ausland lebt. Ihm blieb also nichts, als zu hoffen, dass seine Landleute auf dem Stimmzettel „Remain“ – also bleiben – ankreuzen würden. Die Enttäuschung über das Ergebnis ist groß:

"Zuerst war ich geschockt, ich wollt’s gar nicht wahrhaben, dann war ich wütend, dass 17 Millionen Briten – Entschuldigung – so dumm sein konnten, um für den Ausstieg zu stimmen. Meine Wut hat sich im Laufe des Vormittags so gesteigert, dass ich irgendwann vor lauter Frust ins Bad gegangen bin und hab mir die Zähne geputzt mit einer Vehemenz, dass ich mir fast die Zähne selber rausgeschlagen hab."

George Low

Wie es jetzt in Großbritannien weitergeht, steht in den Sternen, meint George Low. Er selbst muss keine Konsequenzen befürchten. Sein Leben in Deutschland und sein Job am Englischen Seminar der Universität München sind nicht gefährdet. Trotzdem denkt er jetzt zum ersten Mal darüber nach, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen:

"Ich will nicht jedes Jahr dann ans Ausländeramt gehen müssen, um meine Aufenthaltsgenehmigung verlängern zu lassen und all das. Aber ich hoffe, dass vielleicht innerhalb der Regelungen, die getroffen werden müssen, solche Sachen vielleicht auch schon prinzipiell geregelt werden."

George Low

Ähnlich wie George Low ging es am Tag nach der Abstimmung auch Billy van Rensburg. Er führt im Münchner Stadtteil Haidhausen einen Laden mit britischen Lebensmitteln.

"Freitag war der Schocktag schlechthin. Eine Mischung aus erbost zur Existenzangst, so die ganze Palette. Und dann hatte ich wirklich einige Kunden hier, einige Briten, die waren so entsetzt und dann haben die echt geheult, das war schon bewegend."

Billy van Rensburg

Mittlerweile hat Billy sich wieder beruhigt. Im Moment könnte er sogar von der Situation profitieren:

"Ich bin grad dabei, meine Weihnachtsbestellung abzugeben und wenn ich jetzt meinem Großhändler das sagen würde: Okay, ich will heute zahlen. Auch wenn ich meine Ware dann erst im Oktober bekomme, ich zahl lieber jetzt, weil ich dieses billigen Pfund jetzt mitnehmen will. Wär natürlich denkbar."

Billy van Rensburg

Bärbel Goldschmit, Geschäftsführerin der britischen Buchhandlung Words Worth in München, war am Abend des Referendums in Großbritannien. Was sie dort erlebt hat, konnte sie zunächst kaum glauben:

"Ich bin an dem Abend in Cardiff gelandet, bin dann nach Ludlow gefahren – alles auf dem Land. Und es war eine ganz merkwürdige Stimmung. Ich hab halt versucht irgendwo Abend essen zu gehen noch und die Pubs waren alle brechend voll mit Leuten, die sich fein rausgeputzt haben und gefeiert haben wie nochmal was. Das waren wirklich Leute, die halt jetzt ihre Abstimmung gefeiert haben. Die waren sich offensichtlich sehr sicher und man hat in jedem zweiten Vorgarten irgendwie „vote leave“ und das hat mir auch etwas die Freude, in England unterwegs zu sein, verhagelt. Ich muss sagen, das war schon sehr merkwürdig."

Bärbel Goldschmit

Bärbel Goldschmit kennt die Meinung zum Brexit in Deutschland. Einige Kunden, fürchtet sie, könnte sie verlieren. Um ihnen  zu zeigen, dass sie es ganz und gar nicht gut findet, was da gerade in England passiert ist, gibt es im Laden jetzt „Brexit Compensation Vouchers“:

"Wir haben jetzt so eine kleine Aktion gemacht, dass bei Einkäufen über 30 Euro, die Kunden bei uns tätigen, sie einen Gutschein über 10 Prozent der Summe bekommen, den sie dann beim nächsten Mal einlösen können. Eben sozusagen einfach als Teaser, dass sie bei uns gute Kunden bleiben trotzdem."

Bärbel Goldschmit

Für die Buchhändlerin und die Briten in Deutschland  heißt es jetzt erstmal: Abwarten, wie es weitergeht – und Tee trinken!


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