Bayern 2 - radioThema


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Strahlende Hinterlassenschaft Wie es mit abgeschalteten AKWs weitergeht

Reaktor abgeschaltet! Und dann? Weil sich verstrahlte Teile nicht manuell abschrauben lassen, wird der Atomausstieg zum teuersten, kompliziertesten und langwierigsten Abrissprojekt der deutschen Geschichte. Dabei entsteht aber auch neues Knowhow made in Germany.

Von: Lorenz Storch

Stand: 17.11.2016 | Archiv

Zwei Männer beobachten mehrere Bildschirme. | Bild: BR

Autor Lorenz Storch hat das Endlager für schwach- und mittelaktiven Abfall "Schacht Konrad" bei Salzgitter vor kurzem besucht:

Blick in Schacht Konrad

Im Kernkraftwerk Obrigheim am Neckar sind derweil Pioniere am Werk. Weil es schon 2005 vom Netz ging, ist der Rückbau ziemlich weit fortgeschritten. Manfred Möller, technischer Betriebsleiter, der beim Energiekonzern EnBW für den Rückbau der Atomkraftwerke verantwortlich ist, erklärt dem BR-Reporter den Prozess:

Radioaktive Materie muss ferngesteuert zerlegt werden

Das allermeiste geschieht per Fernbedienung vom Pult aus via Monitore, Joysticks und Roboterarmen. 17 Kameras im gesamten Gebäude beobachten die Prozesse. Zum Beispiel zerlegt ein Kohlenstoff-Schwert, auf das Spannung geladen wird, Reaktor-Teile so weit, dass sie verpackt werden können. Immer wieder werden Überreste unter Wasser gesetzt, damit die radioaktive Strahlung gedämpft wird. Die Experten am Pult schneiden nach einem detaillierten Zerlege-Plan. Allein den zu entwickeln, hat fünf Jahre gedauert. Ziel ist: Alles so zu zerkleinern, dass der Müll, der am Schluss in gelbe Strahlenschutzbehälter kommt, wenig Platz einnimmt. Und auch so wenig strahlt wie möglich.

Martin Möller, technischer Betriebsleiter beim Energiekonzern EnBW, im Interview mit dem BR-Reporter

"Für den Rückbau eines Atomkraftwerkes kann man 15 bis 20 Jahre veranschlagen."

Martin Möller, technischer Betriebsleiter, ist beim Energiekonzern EnBW für den Rückbau der Atomkraftwerke verantwortlich

Wie EnBW hat sich auch Eon, der in Bayern aktive Konzern, für einen "schnellen Rückbau" entschlossen. Was die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf, CSU, begrüßt:

Die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf, CSU

"Ich persönlich favorisiere den Rückbau auf die Grüne Wiese."

Die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf, CSU

Die andere Variante, der so genannte "sichere Einschluss" bedeutet, dass das Atomkraftwerk noch Jahrzehnte stehen bleibt – um zu warten, bis die Radioaktivität abgeklungen ist. Wann allerdings der Rückbau der beiden abgeschalteten bayerischen Reaktoren Isar 1 und Grafenrheinfeld beginnt, ist noch offen. Von Erlangen aus wird ein neues Geschäftsfeld gemanagt: das Europäische "Rückbauzentrum". Es gehört zum französischen Areva-Konzern, der die Kernkraftsparte von Siemens übernommen hatte.

Reaktor-Rückbau wird ein neues Geschäft

Christian Lang, Areva-Spezialist

Natürlich ist mit Rückbau nicht so viel Gewinn zu machen wie mit Bau eines neues Atomkraftwerkes. Andererseits laufen auf der ganzen Welt Reaktoren, die über kurz oder lang entsorgt werden müssen. Der Erfahrungsvorsprung der Erlanger Techniker ist da gefragt. Einer von ihnen, Christian Lang, demonstriert, wie eine von Areva entwickelte Spezialschere, die im Reaktorbehälter unter Wasser gesetzten Elemente zerschneidet.

Die ewige Endlagersuche, neuestes Kapitel

Max König und Thomas Behringer

Die Atomkraftgegner im Bayerischen Wald sehen weiter die Gefahr eines Endlagers für Atommüll in ihrer Region. Denn am 26. Juni 2016 hatte die Endlagerkommission des Bundestags es abgelehnt ein Endlager in Granit auszuschließen. Alle potenziellen Standorte in Deutschland sind gleich gefährdet, glaubt der Vorstand der Initiative gegen ein Endlager im Saldenburger Granit (und Thurmansbanger Bürgermeister) Martin Behringer:

"Die Gefahr besteht. Gorleben war auch eine politische Entscheidung. Ich glaube nicht, dass man da irgendjemand überzeugen kann, diese Endlager freiwillig zu nehmen. Und darum muss irgendwann eine politische Entscheidung getroffen werden."

Martin Behringer

Ein radioThema von Lorenz Storch
Redaktion: Susanne Betz


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