Bayern 2 - radioThema


25

Geistesgegenwart Türöffner zum Göttlichen

An Pfingsten feiern die Christen die Entsendung des Heiligen Geistes. Doch was bedeutet der Heilige Geist heute? Moderne Theologen suchen nach neuen Formulierungen. Sie verstehen den Geist als eine Art Energie und entdecken dabei überraschende Berührungspunkte mit den Naturwissenschaften.

Von: Corinna Mühlstedt

Stand: 21.05.2015

Sonnenstrahlen | Bild: picture-alliance/dpa

"Der Vater wird Euch einen Beistand geben: Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber werdet ihn kennen, weil er bei Euch bleiben und in Euch sein wird."

Johannes 14,15-18

Eine Flamme oder Lichtstrahl. So wird der "Heilige Geist" in der christlichen Kunst oft abgebildet. Andere Darstellungen zeigen ihn als Taube, die gleich dem Wind vom Himmel herab kommt. Im Orient stehen Naturgewalten wie Sturm und Wind von alters her für das Wirken göttlicher Kräfte. Auch im Schöpfungsbericht der Bibel, so der Münchner Ökumeniker Gunther Wenz:

"Im Alten Testament heißt das Äquivalent für Geist 'Ruach'. Das ist die Ursprungsbedeutung des biblischen Geist-Begriffs: Wind. Der Wind bringt Leben in die Landschaft. Und im übertragenen Sinn bedeutet dann Ruach den Atem, den Lebenswind. Wenn Gott dem Adam seinen Ruach gibt, dann ist er lebendig. Wenn Gott seinen Geist wegnimmt, dann weicht das Leben und der Mensch wird wieder das, wovon er genommen ist: Asche zu Asche, Staub zu Staub."

Gunther Wenz, Ökumeniker, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Der Geist gestaltet irdisches Leben, ja, er wirkt gleichsam als Brücke zwischen dem Göttlichen und der Welt, erklärt Gunther Wenz weiter:

"Im Geist nimmt Gott Anteil. Deshalb ist ja der Geist schon in der Schöpfung beteiligt. Er ist der Schöpfer-Geist. Der Geist ist, wenn man so will, die göttliche Offenheit. Gott ist nicht verschlossen in sich selbst, sondern er ist offen für uns."

Gunther Wenz, Ökumeniker, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Eine Spurensuche durch die Epochen und Kulturen

In Indien, im Hinduismus, ist die Seele jedes Lebewesens eins mit dem alles umfassenden göttlichen Weltgeist „Brahman“. Immer wieder findet man im Hinduismus den Begriff Brahman für das oberste Weltprinzip. Nach indischen Vorstellungen wirkt dieser Urgrund allen Seins in der gesamten Schöpfung. Seine Funktion könne man mit der des Geistes in der christlichen Kultur vergleichen, so der englische Benediktiner Bede Griffith. In beiden Fällen gehe es um eine göttliche Kraft, die Leben vermittelt. Der Kontakt zum Geist Gottes war auch für die Karmelitin Theresa von Avila entscheidend. 2015 feiert man den 500sten Geburtstag der spanischen Mystikerin. Obwohl ihr die indischen Lehren mit Sicherheit unbekannt waren, gibt es im seelisch-religiösen Erleben Parallelen.

Von Indien bis Spanien

Bede Griffith

"Gott ist im christlichen Verständnis nicht eine Person. All unsere Begriffe von Gott - wie Vater, Sohn und Geist - sind nur Projektionen. Jenseits all dieser rationalen Begriffe ist Gott, der Vater einfach, der Ursprung, die Quelle, das Eine... Und von diesem Einen geht alles aus: Das Wort und der Geist gehen aus dieser einen Quelle hervor."

Bede Griffith, Benediktiner und Mystiker, Indien

Mahatma Gandhi

"Inmitten ständiger Veränderung gibt es eine lebendige Macht, die unvergänglich ist und alles zusammenhält. Sie schafft Leben, löst es auf und schafft es neu. Diese formende Macht des Geistes ist Gott. Nichts von all dem, was ich mit meinen Sinnen wahrnehme, hat Bestand. Nur er alleine hat Bestand."

Mahatma Gandhi, Nobelpreisträger, Indien

Theresa von Avila

"Wer sich Gott nähert und sich mit ihm verbindet, wird ein Geist mit ihm!"

Theresa von Avila, Karmelitin, Spanien

In den modernen Industrienationen wurden Geist und Materie, Seele und Leib schrittweise durch die Naturwissenschaften getrennt: Die mittelalterliche Kirche hatte die freie Entfaltung der Forschung lange behindert. Im 18. und 19. Jahrhundert holte die Naturwissenschaft zum Gegenschlag aus und ließ jede religiöse Verankerung hinter sich. Der Dialog zwischen Religion und Naturwissenschaft riss ab.

Die Kluft zwischen Religion und Naturwissenschaft überwinden

Einen der ersten Versuche, die Kluft zwischen Religion und Naturwissenschaft wieder zu überbrücken, wagte zu Beginn des 20. Jahrhunderts Teilhard de Chardin. Der französische Jesuit war selbst Naturwissenschaftler und forschte als anerkannter Geologe und Paläontologe rund um den Globus. Ist Teilhard in der Kirche auch umstritten, so hat er mit seinem Ansatz doch Türen für das Gespräch zwischen den Disziplinen geöffnet.

Verschiedene Forschungsrichtungen sprechen heute immer öfter von Strahlungen oder Schwingungen eines nicht fassbaren „Energiefelds“, das die Welt gestaltet. Stets handelt es sich nur um Bilder oder Gleichnisse, die der Kultur und dem Zeitgeist unterworfen sind. Doch spiegelt sich in ihnen eine Intuition vom Wirken des Geistes. Der Dialog zwischen den Religionen und der Naturwissenschaft eröffnet an dieser Stelle ein Forschungsfeld der Zukunft.

Geist und Wissenschaft

Hans Peter Dürr

"Das Geistige füllt das ganze Weltall auf. Und deshalb sind wir eigentlich immer schon in diesem Geist. Und ich würde sagen, diese allgemeine Verbundenheit, das ist auch das, was wir Gott nennen."

Hans Peter Dürr, Atomphysiker, München

Teilhard de Chardin

"Man stelle sich mein inneres Erlebnis der Befreiung vor, als ich feststellte, dass der Dualismus, der Geist und Materie trennt, sich - bei genauerer Betrachtung - wie ein Nebel vor der aufgehenden Sonne auflöste: Geist und Materie sind gar nicht zwei Dinge, sondern zwei Zustände, zwei Gesichter ein und desselben kosmischen Stoffs."

Teilhard de Chardin, Jesuit und Paläontologe, Frankreich

Dag Hammarskjöld

"Gott stirbt nicht an dem Tag, an dem wir nicht länger an eine persönliche Gottheit glauben, aber wir sterben an dem Tag, an dem das Leben für uns nicht länger vom Glanz des Wunders durchstrahlt wird, von Lichtquellen jenseits aller Vernunft."

Dag Hammarskjöld, UN-Generalsekretär, Norwegen

Werner Heisenberg

"Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott."

Werner Heisenberg, Physiker und Nobelpreisträger, München

Bertram Stubenrauch

"Der Heilige Geist führt in die ganze Wahrheit ein. Also Geist ist auch eine Kraft, die nach vorne treibt, etwas Progressives. Der Geist treibt uns an, und da müssen wir uns viel mehr trauen noch. Nach vorne müssen wir schauen, Vorreiter sein, wenigstens auf manchen Gebieten."


Bertram Stubenrauch, Dogmatiker, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Notker Wolf

"Es geht darum, die verschiedenen Trennungen, die in der Geistesgeschichte passiert sind, wieder zur einen Wirklichkeit zusammenzuführen. Die Welt ist ja nun einmal eine Wirklichkeit, wenn auch sehr komplex. „Materie und Geist“ oder „Materie und Leben“ sind keine getrennten Wirklichkeiten, sondern sie sind wie zwei Seiten einer Medaille."

Notker Wolf, Abtprimas der Benediktiner, Rom


25