Bayern 2 - Notizbuch


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22. Oktober 1998 Welttag des Stottern

Die "Sprechunflüssigkeit" zu überwinden, kostet viel Disziplin und Ausdauer. "Doch was kann es Schöneres geben, als aus einem Stotterer einen Sprecher zu machen!", so Rudolf Kraemer, der Meister des "Ent-Stotterns". Seit 1998 ist jedes Jahr am 22. Oktober Welttag des Stotterns.

Stand: 22.10.2010 | Archiv

22 Oktober

Freitag, 22. Oktober 2010

Autor(in): Gabriele Bondy

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Marilyn Monroe tat es, Moses, Isaac Newton, Charles Darwin, Winston Churchill, Georg VI., König von England, auch. Wir reden vom Stottern. Dem Karrieremachen hat das offensichtlich nicht geschadet! Auch bei Demosthenes nicht, dem brillanten Rhetoriker der Antike. Der soll den Mund sogar recht voll genommen haben – mit tönenden Worten ... und Kieselsteinen. Eine recht eigenwillige Therapie zur Behebung der "Sprechunflüssigkeit" und nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen. Es besteht Erstickungsgefahr. Diese Brachialmethode zeigt aber den Grad der Verzweiflung, an den Stotterer geraten können, wenn sie es nicht bevorzugen, sich mehr und mehr in den Schweigewinkel zurückzuziehen.

Stottern - nichts leichter als das! Wir alle kennen es aus Situationen, die nicht unbedingt zu den Glanzpunkten unserer Biografie zählen, beispielsweise, wenn uns Gefühle überwältigt haben, wenn wir bei einer Missetat ertappt worden sind oder wenn wir partout nicht wussten, was wir eigentlich hätten wissen müssen! So schlimm solche Erfahrungen sein mögen, Psychologen versichern, dass uns deshalb aber nicht droht, künftig dauernd ins Stocken zu geraten. Und auch schwer von diesem Leiden Betroffene können unter gewissen Umständen durchaus flüssig reden, beispielsweise beim verzögerten Sprechen, bei unwichtigen Aussagen oder wenn sie mit einem Kind, ihrem Haustier- oder sich selber reden.

Wissenschaftlich erforscht wird das Phänomen seit Ende des 19. Jahrhunderts. Und es ist naheliegend, dass besonders jene sich auch um die Therapie kümmerten, die selber betroffen waren. Rudolf Kraemer, beispielsweise, der eine Methode des "Ent-Stotterns" entwickelte, die er zuvor bei sich selbst erfolgreich erprobt hatte. "Das Verfahren besteht 1. in einer schlechterdings überzeugenden und unbezweifelbaren Aufklärung über das Wesen und die Entstehung des Stotterns, 2. in der Bewusstmachung der richtigen "normalen" Sprechtechnik, 3. in der Überzeugung , dass man mit dieser Technik in allen Lebenslagen krampflos und angstfrei sprechen kann."

Wer ständig sprachlich stolpert, leidet - nicht nur am Symptom selber, sondern auch daran, dass er nicht selten Ungeduld, Spott oder gar unfreiwillige Lacherfolge erzielt. Stotterer, Stammler, Tatterer oder Dattermänner, so befanden früher abergläubische Zeitgenossen, hätten etwas Dämonisches an sich. Denn die dem Sprachgestörten oft eigenen krampfartigen Zuckungen des Gesichts und die ungewöhnlichen Bewegungen der Gliedmaßen, machten Angst.

Die "Sprechunflüssigkeit" zu überwinden, kostet viel Disziplin und Ausdauer. "Doch was kann es Schöneres geben, als aus einem Stotterer einen Sprecher zu machen!", so Rudolf Kraemer, der Meister des Ent-Stotterns. Reich geworden ist er damit allerdings nicht. Denn oft genug erließ er bedürftigen Betroffenen das Behandlungshonorar. Kein Wunder also, dass er davon träumte, his "Royal Highness", König Georg VI., zu kurieren. Das wäre eine phantastische Reklame gewesen!

Leider hatte Kraemer keine Gelegenheit mehr, die Monroe kennen zu lernen ... die trotz ihres sprachlichen Handicaps so locker vom Hocker singen konnte. - Beim Singen nämlich, kommt niemand ins Stottern ...

Heute übrigens, am 22.10., ist der Welttag des Stotterns.


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