Bayern 2

     

43

Karlsruhe urteilt NPD wird nicht zerschlagen

Die rechtsextremistische NPD wird nicht verboten. Einen entsprechenden Antrag des Bundesrats wies das Bundesverfassungsgericht zurück. Eine Gefahr für die freiheitliche Demokratie gehe von der NPD nicht aus.

Von: Jürgen P. Lang

Stand: 17.01.2017 | Archiv

Voßkuhle verkündet NPD-Urteil, mit Müller und Huber | Bild: dpa-Bildfunk

Ein Parteiverbot sei kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot. Es müsse ein planvolles Handeln erkennbar sein, das eine Gefahr für die freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder dem Bestand der Bundesrepublik bestehe, sagte Gerichtspräsident Voßkuhle.

"Nach einstimmiger Auffassung des zweiten Senats verfolgt die NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele, es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt."

Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts

Stattdessen stagnierten die Wahlergebnisse "auf einem sehr niedrigen Niveau." Die NPD habe es nicht vermocht, sich dauerhaft in einem Landesparlament zu etablieren. Ein bestimmender Einfluss auf die politische Willensbildung sei nicht zu erwarten.

Bayerische Reaktionen

Ministerpräsident Horst Seehofer

"Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist bedauerlich, aber selbstverständlich zu respektieren. Ungeachtet der Tatsache, dass die NPD in keinem Landtag mehr vertreten ist, stellt sie als Partei mit ihren verfassungsfeindlichen und rechtsradikalen Bestrebungen eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar.

Die Staatsregierung wird nicht nachlassen, diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterhalb eines Parteiverbots mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen."

Das Verbotsverfahren selbst wertete der Ministerpräsident als Erfolg, weil dadurch die verfassungsfeindlichen und rechtsradikalen Bestrebungen der NPD deutlich der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden konnten. Auch das habe dazu beigetragen, die NPD wirksam zu bekämpfen.

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer

"Ich halte es für einen Trugschluss zu sagen, wir lassen Radikale solange in Parteien arbeiten, bis sie eine gewisse Relevanz haben und es im Bereich des Möglichen liegt, dass sie ihre Ziele erreichen."

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher

"Nazis dürfen in bayerischen Dörfern und Städten keine Chance haben." Als Konsequenz forderte der Fraktionschef der SPD im Landtag, nun müsse weiter die politische Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten gesucht werden.

Katharina Schulze (Innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag)

"Alleine mit einem Parteiverbot lassen sich rechtsextremistische und menschenfeindliche Strömungen in der Gesellschaft nicht bekämpfen. Wichtig ist jetzt, dass die vielen anderen rechtsextremen und menschenfeindlichen Akteure unter den Aspekten des Urteils von der CSU-Regierung genauer in den Blick genommen werden.

Wir brauchen endlich mehr Demokratiebildung und mehr Prävention in Bayern. Und wir brauchen natürlich konsequente Polizeiarbeit, wenn die rechtsextreme Ideologie in Gewalt umschlägt."

Charlotte Knobloch (Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern)

"Ich respektiere die Entscheidung selbstverständlich, aber ich bedauere sie sehr. Einerseits kann ich die juristische Argumentation, es liege keine konkrete Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vor, nachvollziehen. Dessen ungeachtet bleibe ich dabei, dass das Verbot einer offensichtlich rechtsextremen Partei wichtig für die politische Hygiene in unserem Land gewesen wäre – vor allem aufgrund der spezifischen deutschen Geschichte, nicht zuletzt aber auch vor dem Hintergrund des erstarkenden Rechtspopulismus und -extremismus in der Gegenwart."

Auch der zweite Anlauf scheitert

Dass auch das zweite Verbotsverfahren scheitert, kommt nicht überraschend. Denn die Schwelle für ein Parteiverbot liegt hoch. Das Bundesverfassungsgericht hatte beim KPD-Urteil in den 1950er Jahren eine "aggressiv-kämpferische Haltung" zur Voraussetzung für ein Verbot gemacht. Die NPD ist ohne jeden Zweifel eine rechtsextremistische Partei, doch die Demokratiefeindschaft allein reicht für ein Verbotsurteil nicht aus.

Massiver Eingriff in die Grundrechte

Zentrales Argument der Verbotsgegner war: Eine Partei zu eliminieren, bedeute einen massiven Eingriff in die Grundrechte und sei nur mit ihrem starken politischen Einfluss zu rechtfertigen. Anders ausgedrückt: Fehlt die Verhältnismäßigkeit, kann ein Parteiverbot der Demokratie mehr schaden als die zu verbietende Partei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in letzter Zeit ähnlich argumentiert: Es müsse eine reale (und nicht bloß abstrakte) Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorliegen.

Contra

Dies ist bei der NPD in der Tat kaum der Fall. Sie ist eine Partei im Niedergang. Im rechtsextremistischen Lager geben mittlerweile andere Akteure den Ton an. Deren Gefährlichkeit ist weit eher gegeben - gerade weil sie sich nicht nur in einer zu gewisser Offenheit gezwungenen Partei organisieren, sondern auch in loseren, nur schwer kontrollierbaren Strukturen.

"Während sie auf der Straße neue Neonazi-Parteien wie Der Dritte Weg oder Die Rechte bzw. neue Organisationsformen wie Pegida und die Identitäre Bewegung unter Druck setzen, hat ihr die AfD an der Wahlurne längst den Rang abgelaufen."

Marc Brandstetter, NPD-Experte bei Endstation Rechts

Pro

Die Befürworter eines Verbots argumentierten unter anderem damit, Karlsruhe solle ein Signal gegen Rechtsextremismus setzen. Zudem sei die NPD keineswegs gesellschaftlich einflusslos. Auch aufgrund ihrer Ziele sei ein Verbot gerechtfertigt:

"Die NPD plant mit der Vertreibung von Millionen Menschen Staatsverbrechen. Solche Positionen sind in einem demokratischen Parteienwettbewerb nicht tolerabel."

Steffen Kailitz, Extremismusexperte am Hannah-Arendt-Institut Dresden

Im Falle eines Verbots hätte die NPD ihr gesamtes Vermögen ebenso verloren wie ihre Mandate. Auch die Unterorganisationen der Partei wären verboten.

Der gescheiterte erste Anlauf

2003 scheiterte der erste Anlauf, obwohl Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung das Verbot der NPD mit der Wucht gleich dreier Anträge gleichsam erzwingen wollten. Doch das Bundesverfassungsgericht stellte das Verfahren ein. Es hätten zu viele V-Leute des Verfassungsschutzes in den Vorständen der NPD gesessen. Deren Aussagen seien von zweifelhafter Beweiskraft. Dem aktuellen Verbotsantrag des Bundesrats hatten sich Bundesregierung und Bundestag - anders als beim ersten Verbotsverfahren - nicht angeschlossen.


43