Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen im November "Wild"

Man kann von Bayern alles Mögliche behaupten – aber wild? Ist Bayern wild? Der liebende Blick trägt dazu bei, manche Flecken auf dem bayerischen Antlitz zu übersehen. Denn sie ist da, die romantische Sicht auf ein wildes Bayern.

Von: Gerald Huber

Stand: 03.11.2013 | Archiv

Die Themen von Bayern genießen im November

  • Niederbayern/Oberpfalz: Wilder Fluss. Die Ilz im Bayerischen Wald (Bernd Kellermann)
  • Mittel-/Oberfranken: Wildes Gehege. Wie sich wildes Wild und Gehegewild unterscheiden (Carlo Schindhelm)
  • Mainfranken: Wilde Kräuter. Die Leidenschaft für Unkraut (Farsin Behnam)
  • Schwaben: Wilder Nager. Jagd auf den Biber (Viktoria Wagensommer)
  • Oberbayern: Wilde Rinder. Bisons aus Sickenhausen (Birgit Grundner)
  • München: Wilder Westen. 100 Jahre Munich Cowboys (Ulrich Trebbin)

Redaktion und Regie: Gerald Huber

Niederbayern/Oberpfalz

Wilder Fluss. Die Ilz im Bayerischen Wald

Vor hundert Jahren noch wurde der Sieg der Kultur über die Wildnis bejubelt. Nur wenige entwickelten bereits damals ein unbestimmtes Unbehagen gegenüber dem technischen Fortschritt, dem man sich in Bayern so bereitwillig unterwarf. In seinem 1930 erschienenen Roman "Erfolg" beispielsweise schrieb der Münchner Schriftsteller Lion Feuchtwanger über die Bayern und ihr Land:

"Das Wasser ihrer Flüsse verwandelte sich in Elektrizität, schlanke Masten der Überlandleitungen schwangen sich, grauglänzend, filigranhaft klar, in die leichte Luft. Ihr schöner, finsterer Walchensee musste sich verschandeln lassen durch ein großes Werk, das Bogenlampen leuchten machen sollte und Wagen antreiben. Das Gesicht des Landes änderte sich."

Lion Feuchtwanger, Erfolg

Mittlerweile hat sich das Gesicht des Landes so verändert, dass es kaum noch demjenigen vor hundert Jahren gleicht. Praktisch jeder Fluss ist durch große Elektrizitätswerke verbaut.

Berühmt ist beispielsweise die 1922 an der Bayerischen Kachlet bei Passau errichtete Staustufe samt Kraftwerk. Auch der zweite Passauer Fluss, der Inn ist längst als Stromlieferant in die Pflicht genommen. Allein die bescheidene Ilz, die Passau erst zur der Dreiflüssestadt werden lässt, ist natürlich geblieben. Seit den 60er Jahren sind die Auseinandersetzungen darum ausgestanden, womit die Ilz der letzte unverbaute Wildfluss Deutschlands ist.

Mittel-/Oberfranken

Wildes Gehege. Wie sich wildes Wild und Gehegewild unterscheiden

Die Wörter Wolle, Wald und Wild haben die gleiche etymologische Wurzel. Sie hängen alle zusammen mit lateinisch Vellus, die Wolle und vellere, was soviel bedeutet wie rupfen. Wie die Wolle, der Pelz der Schafe ist, so sind der Wald und das Wild darin letztlich der Pelz, der Aufwuchs des Landes.

Erwin Dumski - Wildhalter

Insofern ist klar, dass sich Wald und Wild kaum voneinander trennen lassen. Trotzdem hat man bereits vor vielen Jahrhunderten begonnen, Wild in Gehegen zu halten. Denn Wildbret war zu allen Zeiten wegen seines aromatischen Geschmacks begehrt.

Eine besondere Tradition hat die Gehegehaltung von Damwild in Oberfranken.

Mainfranken

Wilde Kräuter. Die Leidenschaft für Unkraut.

"Die Steppe beginnt vor unserer Haustür". Der Satz stammt von Bernhard Grzimek und muss Anfang der siebziger Jahre in der Nürnberger Jugendzeitschrift "Der Kleine Tierfreund" gestanden haben. Das Wort Steppe hat nach Abenteuern geklungen nach wilden Kriegern und wilden Tieren. Ab sofort hab ich die Landschaft vor unserer niederbayerischen Haustür mit anderen Augen gesehen.

Es war in den siebziger Jahren ja auch die Zeit, als nach all den Jahrzehnten der Machbarkeit und der Beherrschung der Landschaft die natürliche Umwelt wieder ins Blickfeld gerückt ist; und tatsächlich, wem einmal solchermaßen die Augen geöffnet wurden, der entdeckt überall das vielfältige Leben, das sich wild, also ganz ohne menschliches Zutun überall entwickelt. Alles, was sprosst und bekömmlich ist, hat man in früheren Zeiten Kraut genannt. Was nicht zum Verzehr geeignet ist, war demzufolge Unkraut. Seit der Neuentdeckung der Umwelt zeigt sich, dass es viel mehr Kräuter gibt als gedacht und richtige Unkräuter ziemlich selten sind. Beispielsweise bei den Kursen der Wildkräuter Drey ganz im Nordwesten Bayerns.

Schwaben

Wilder Nager. Jagd auf den Biber

Man sieht nur, was man weiß. Dieser Grundsatz gilt für so ziemlich alles im Leben; ganz besonders natürlich auch, wie bei den Kräutern, für die Wildnis vor unserer Haustür. Selbstverständlich aber ist die Wiederentdeckung der wilden Natur nicht ausschließlich eine Sache des Neu-Sehens. Es kehren tatsächlich auch alte – neue Arten zurück. Entweder ganz von allein oder weil man bei dieser Rückkehr nachgeholfen hat.

Ein berühmtes Beispiel dafür ist der Biber. In den 60er Jahren wurde er erstmals am Inn wiederangesiedelt. Danach hat sich der Nager überraschend schnell ausgebreitet. Leider kommt er dabei immer wieder Land- und Forstwirten in die Quere. Ein sogenanntes Bibermanagement musste her; denn der Biber ist zu hundert Prozent geschützt und fällt nicht unter das Jagdrecht. Zuerst fing man ihn lebend und brachte ihn in noch unbesetzte Reviere im Ausland. Doch auch die sind mittlerweile wieder besetzt. Die Konsequenz: Wo der Biber dem Menschen oder seinem Besitz gefährlich wird, wird er jetzt geschossen. Das Landratsamt Unterallgäu hat vor etwa einem Jahr 34 Konfliktgebiete ausgewiesen, in denen Biber sogar ohne Einzelgenehmigung gejagt werden dürfen.

Oberbayern

Wilde Rinder. Bisons aus Sickenhausen

Nicht in jedem Fall gelingt es so erfolgreich, ein ehemals in Bayern heimisches Tier wiederanzusiedeln, wie beim Biber. Es gibt zwar mittlerweile Nachrichten von Luchsen, Wölfen, Bären und sogar Elchen, die hierzulande heimlich still und leise wieder heimisch geworden sind – allerdings nur in kleiner Stückzahl. Mit anderen ehemaligen Wildtierarten, wie den Wisenten, gibt es Versuche, wie im Donaumoos im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, mehr aber auch nicht. Noch kann man dieses große europäische Wildrind kaum nutzen.

Da sieht es mit seinem engen amerikanischen Verwandten ganz anders aus. Wenngleich Bisons in Bayern noch eine große Ausnahme darstellen, so sind sie doch regelrecht genießbar – nicht nur optisch, sondern auch kulinarisch. In Sickenhausen im Landkreis Freising gibt es einen landwirt, der sich tatsächlich auf Bisonzucht spezialisiert hat.

München

Wilder Westen. 100 Jahre Munich Cowboys

Wilde Bisons aus dem wilden Westen, das weckt sicher bei dem ein oder anderen romantische Vorstellungen vom wilden, freien, völlig ungebundenen Leben in den Weiten Amerikas, die sich leider Bayern kaum vergleichen lassen. eine Romantik, die heute, da es den Western als Literatur- oder Film-Genre kaum mehr gibt, vielleicht ein bisserl angestaubt wirkt. Trotzdem: Es gibt nach wie vor die ganz hartgesottenen Karl-May-Fans, es gibt noch die treue Zuschauergemeinde für Italo-Western, nach wie vor kommen die Besucher in die nachgebauten Westernstädte hierzulande und es gibt Leute, die ihre ganze Freizeit aufs Cowboy- und Indianerspielen verwenden.

Literaturtipp

Wer mehr erfahren will über die 100 Jahre Clubgeschichte der Münchner Cowboys, dem empfiehlt unser Zeit für Bayern-Autor Ulrich Trebbin das Buch "Sehnsucht nach dem Wilden Westen - 100 Jahre Münchner Cowboy Club".

Eine große Tradition besipielsweise hat der Cowboyclub München. Er ist heuer hundert Jahre alt geworden und damit der älteste Cowboyclub Deutschlands. Seit 50 Jahren hat der Club auch ein eigenes Gelände in Thalkirchen am südlichen Stadtrand von München an der Isar. Die Freizeit-Cowboys und –Indianer pflegen dort die handwerklichen Künste des Wilden Westens, üben sich im Reiten und Lassowerfen und natürlich schwelgen sie auch im Traum vom Wilden Westen, wie sie ihn schon als Buben bei "Bonanza" oder den "Rauchenden Colts" aufgesogen haben.

Mehr Bayern genießen im Fernsehen: "Zwischen Spessart und Karwendel", sonntags, um 15 Uhr, auf BR-alpha.

Im Prinzip ist alles Leben wild. Selbst die brave Gemüsepflanze aus der Gärtnerei ist so, wie sie eben geworden ist. Niemand, und sei er noch so findig, kann das Leben in all seinen Formen kontrollieren; und das ist gut so. Trotz aller Versuche von fleißigen Züchtern oder skrupellosen Gentechnikern kann der Vielfalt des Lebens Herr werden. Was dabei herauskommt ist allenfalls heilige Einfalt. Ein bisserl traurig und langweilig halt. Da hat das wilde Leben in Bayern tatsächlich mehr Genuss zu bieten. Zum Beispiel auch bei unseren Kollegen vom Fernsehen. Da steht "Jagerisch genießen" in Bayern auf dem Programm. Unter dem Motto "Waldesruh und Rehragout" bereist Paul Enghofer die Reviere des Forstbetriebs Roding in der Oberpfalz.


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