Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Guter Jahrgang Weinlese in Mainfranken hautnah

Wie fühlt sich die Weinlese eigentlich an? Nadine Hauk hat es einmal ausprobiert. Sie war bei der Weinlese im Selbstversuch im Privatweingut Schloss Saaleck in Hammelburg. Da wurden die Ortega-Trauben für den Federweißen gelesen.

Stand: 02.10.2016 | Archiv

"So erst nochmal 'Grüßt Euch - Servus!'"

Thomas Lange

Es ist ein sonniger und warmer Morgen in Hammelburg . Winzer Thomas Lange steht in seinem Weinberg und begrüßt die Lesehelfer, sein bewährtes Team. Während die anderen schon mit der Arbeit beginnen, gibt mir der Winzer erstmal mein Werkzeug… die „Wengert-Scher“… oder hochdeutsch: Weinbergschere …

"Wir haben hier zweierlei Scheren – einmal eine gekrümmte Leseschere, und einmal eine gerade. Ist Geschmackssache – mir persönlich gefällt die gekrümmte ein bisschen besser, weil ich da schöner an die Trauben hin komme – aber wir haben auch viele Lesefrauen, die nehmen nur die gerade… - Also – kannst Dir eine aussuchen. Dann halte ich mich an den Winzer und nehme die gekrümmte - Gute Wahl."

Winzer und Autorin

Im Weinberg arbeiten zwei Lesehelfer pro Zeile… einer links, einer rechts… immer zur Mitte hin. Keiner muss mehr eine Bütte mit sich herumschleppen – das beruhigt mich -  stattdessen hat jeder ein orangefarbenes Lesewännchen bei sich stehen. Hier werden die Trauben erst einmal gesammelt…

"Kann alles rein. Du musst im Prinzip nur aufpassen, dass Ihr versetzt arbeitet. Vielleicht einen halben Meter, Meter – weil: wenn sie reingeht mit der Schere und Du reingehst mit der Schere – die sind sauscharf. Wir haben Pflaster dabei. - Ich hab Pflaster einstecken - Ah, siehst Du, die Profis haben Pflaster dabei… die schon jahrelang des machen…"

Dialog im Weinberg

Der Profi mit dem Pflaster in der Tasche heißt Hannelore – seit sieben Jahren hilft sie in den Weinbergen, ist Lesehelferin aus Leidenschaft:

"Ja – also ich bin Schoppentrinker. Im Weinberg hat man erst mal gesehen, was das überhaupt für eine Arbeit macht, was man, wenn man nur nen Schoppen trinkt, ja gar net weiß. Und die frische Luft und die Bewegung tun einem gut."

Lesehelferin Hannelore

Das will ich jetzt selbst einmal spüren, nehme die Schere in die Hand. Mir gegenüber in der Zeile steht Winzermeister Clemens Rumpel.

Nach vielen Jahren beim Bürgerspital in Würzburg – wo er zuletzt für die berühmte Lage am Stein zuständig war – hat der Ökowinzer seine Laufbahn bei den Langes im Weingut Schloss Saaleck beendet.

Inzwischen ist er im Ruhestand – doch in diesem Jahr wird Clemens Rumpel noch einmal in den Hammelburger Weinbergen gebraucht und erklärt mir, wie ich arbeiten muss:

Die Reben hängen voll

"Man kann hier aus der Traubenzone erstmal Blätter wegnehmen, dass man eine Übersicht hat und dann versucht man möglichst die Trauben ohne Schnittwunden an einem selbst rauszuschneiden. Manchmal ist es richtig verzwickt, dass sie übereinander liegen, dann muss man halt halbe Operationen tätigen, dass man an den Stock ranzukommen – oder an die Traube – aber sehen Sie: Wir bringen’s weg."

Clemens Rumpel

Die Trauben von der Rebe zu schneiden – das ist nicht das Problem, finde ich…

"Es geht auch schnell, weil die Trauben prall und gesund sind und nahezu nichts aussortiert werden muss. Anstrengend ist die Arbeit im Weinberg aber dennoch: der Hang ist relativ steil, und man arbeitet im Grunde den ganzen Tag gebückt. Ich werde schnell kreuzlahm und probiere – als einzige im Weinberg – eine andere Technik aus… ich gehe in die Hocke… Das geht besser und auch meine Lesewanne füllt sich schnell."

Leseerfahrung der Autorin

Dann kommt Arpi mit dem Traktor, sammelt nach und nach alle Lesewannen ein und schüttet den Inhalt in die Lesebütte. 500 Kilo Trauben gehen da rein. Wenn die Bütte voll ist, fährt Arpi mit dem Traktor zum Traubenwagen und füllt die Trauben um.

Jetzt ist die Chefin da. Winzerin Ulrike Lange managt das Weingut und ist oft in der Vinothek zu finden. Aber natürlich ist sie heute bei der ersten Weinlese des Jahres auch mal mit draußen.

"Thomas, hast Du mal Oechsle gemessen? – Ich hab gestern noch gemessen – 80 Grad Oechsle – 80 Super, des ist fast a Kabinett."

Ulrike Lange

Süß sind sie also, die Trauben. Denn Oechsle ist ja die Maßeinheit für das Mostgewicht des unvergorenen Traubensaftes, also letztlich für den Zuckergehalt im Traubenmost, erklärt mir Winzer Thomas Lange… Und da ist naschen ausdrücklich erlaubt!

"Ich sag’s auch immer zu meinen Lesehelfern: Immer probieren, damit man auch weiß, was man überhaupt liest und dass man auch den Fruchtzucker rausschmecken kann und die Sorte – wie schmeckt ne Ortega – dass man’s auch weiß. Wollen wir das mal zusammen machen? -Mach mer mal… zum Beispiel hier… die sehen doch schön aus!/ mmmmh – also echt, super Lecker!"

Thomas Lange und seine Lesehelfer

Der Hänger ist voll.

Frisch gestärkt arbeite ich weiter im Weinberg. Mit der Zeit macht der Saft meine Hände richtig klebrig – das ist wohl der Grund, warum die meisten Lesefrauen mit Handschuhen arbeiten. Doch bis zum Mittag ist der Traubenwagen voll und der Schlepper zieht ihn zurück zum Kellereigebäude am Schloss Saaleck. Dort wird der Traubenwagen direkt an die Presse angeschlossen.

Wenig später plätschert der erste Saft unten heraus. Ich darf probieren und bin begeistert … Der Saft schmeckt wunderbar und ich glaube in diesem Moment, noch nie besseren getrunken zu haben. Aber das liegt bestimmt daran, dass da Trauben mit drin sind, die ich selbst von den Reben geschnitten habe.


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