Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen Exotik - Bayern genießen im Juni

Eigentlich ist alles ganz einfach: Ich und Du. Müllers Kuh, Müllers Esel, der bist Du. Was letztlich nix anderes heißt, als dass Müllers Esel draus ist, nicht mehr dabei. Und wer bei den alten Griechen exo, also draußen war, der war ein Exotikos, ein Exot eben. Da aber wird’s kompliziert. Weil wer oder was ist heutzutage schon alles in und wer oder was ist out?

Von: Gerald Huber

Stand: 02.06.2013 | Archiv

Die Themen von Bayern genießen im Juni

  • Oberbayern: Mandarine, Gletschereis, Melone. Exotische Hopfen für bayerisches Bier (Simon Emmerlich)
  • Mainfranken: Sauergras, Springkraut, Brennnessel. Was fränkische Wasserbüffel fressen (Klaus Rüfer)
  • Niederbayern/Oberpfalz: Baumviper, Klapperschlange, Cobra. Der Schlangenfranz von Regensburg (Thomas Muggenthaler)
  • Mittel-/Oberfranken: Bananen, Papayas, Guaven. Tropische Früchte aus Oberfranken (Peter Braun)
  • Schwaben: Mammutbaum, Küstentanne, Zypressen. Der Exotenwald in Diedorf bei Augsburg (Barbara Leinfelder)
  • München: Bayern, Japan, überall. In München sind alle in (Regina Fanderl)

Redaktion und Regie: Gerald Huber

Gibt's überhaupt irgendwas, was heute wahnsinnig in und morgen schon so was von out ist. Und umgekehrt ist doch alles was bloß lang genug out ist schon wieder in. Nicht dass wir uns bei Bayern genießen groß um solche Fragen kümmern täten. Weil wir Bayern allesamt ja sowieso wissen, dass wir in sind – so in, dass es inner gar nicht mehr geht. Trotzdem gibt’s in unseren Reihen natürlich Exoten. Die sind aber keinesfalls out, sondern nur außer der Reihe und machen bloß unser Bild besonders schön bunt.

Oberbayern

Mandarine, Gletschereis, Melone. Exotische Hopfen für bayerisches Bier

Nichts anderes als Wasser, Hopfen und Malz darf in einem bayerischen Bier drin sein.

Damals 1516, als das Bayerische Reinheitsgebot erlassen wurde, da war es dringend notwendig. Die kleine Eiszeit hatte innerhalb weniger Jahre die Durchschnittstemperatur in Bayern um sage und schreibe zwei Grad heruntergeschraubt. Das heißt: Der Wein wurde in Altbayern nicht mehr zeitig. Andererseits sind kühlere Temperaturen günstig fürs Bier. Die Bayern begannen von der Weintrinkernation zur Biertrinkernation zu werden.

Kein Wunder, wenn man damals Wert drauf legte, dass man wusste, was ins wichtigste Getränk alles hineinkam. Das war vorher nicht immer so klar gewesen. Statt der variablen Kräutermischung Krut trat jetzt der Hopfen als einzige Bierwürze seinen Siegeszug an. Alles miteinander hatte zur Folge, dass das bayerische Bier überall einigermaßen gleich gut war. Lange Zeit hat man das sehr geschätzt. Heutzutag allerdings sind die Konsumenten narrisch auf Abwechslung.

Da muss den Hopfenbauern die Quadratur des Kreises gelingen: Einerseits Reinheitsgebot – andererseits immer wieder was Neus. Da schadet es nix, dass am weltgrößten Hopfenforschungszentrum in Hüll in der Hallertau neuerdings Hopfensorten gezogen werden, die reichlich Exotik im bayerischen Bier versprechen.

Mainfranken

Sauergras, Springkraut, Brennnessel. Was fränkische Wasserbüffel fressen

Der Hopfen tut ja bloß so, als sei er ein Exot. In Wahrheit ist der Hopfen natürlich ein Bayer. Die Hallertau verfügt bekanntermaßen über die weltgrößte Hopfenanbaufläche und auch die größte Hopfenproduktion. Zusammen mit den kleinen fränkischen Hopfengebieten ist der Hopfen aus Bayern sowieso unschlagbar auch in puncto Qualität. Jetzt aber zu den wirklichen Exoten in Bayern.

Wasserbüffel

Gut: Angus, Limousin oder Koberinder – gibt’s längst, hat man alles schon oft gehört. Aber haben Sie schon einmal von einem Wasserbüffel gehört, der den Namen des bayerischen Wasserheiligen schlechthin trägt: Nepomuk. Da reibt sich mancher Wanderer oder Rad-Tourist wird sich bei einer Tour durch das idyllische Hafenlohrtal im Spessart in Unterfranken verwundert die Augen. Seit 2009 grast dort jahraus jahrein ein rundes Dutzend Wasserbüffel. Die Viecher sollen dem Menschen aufwendige Natur- und Landschaftsschutzmaßnahmen ersparen.

Niederbayern/Oberpfalz

Baumviper, Klapperschlange, Cobra. Der Schlangenfranz von Regensburg

Mit sage und schreibe 36 jungen Pythons im Handgepäck ist vor zwei Jahren ein australischer Fitnesstrainer den Zöllnern am Münchner Flughafen aufgefallen. Der Mann hatte die Reptilien in einem Stoffbeutel versteckt und wollte damit selenruhig durch die Kontrolle marschieren. 36 Pythons – klingt nach viel, sind aber doch nur Würgeschlangen. Ungiftig.

Da ist der Schlangenfranz seinerzeit ein ganz anderes Risiko eingegangen. Und er hat riesiges Glück gehabt, dass er heute sportlicher Leiter des SSV Jahn Regensburg sein kann.

Mittel-/Oberfranken

Bananen, Papayas, Guaven. Tropische Früchte aus Oberfranken

Wenn man so will, sind alle Menschen weltweit Exoten. Seit dem Sündenfall im Paradies und der Vertreibung aus demselben sind wir draußen vor der Tür, die vom Erzengel mit Flammenschwert bewacht wird. Nur ab und zu darf der Mensch, der Bayer zumal, es dem Brandner Kaspar gleichtun und einen Blick riskieren. Und was stellt er fest? Im Paradies schauts ja pfeilgrad so aus, wie bei uns daheim. Eine Einschätzung, die selbstverständlich für jeden Bayern gilt – egal ob aus dem Unter- oder Oberland, dem Allgäu, dem Jura, dem Waldgebirg oder der Rhön.

Ganz besonders und augenfällig für jedermann aber trifft die Paradieseigenschaft zu auf einen Flecken hoch oben gelegen, gegen Osten zu, nahe am Rennsteig, nahe dem Thüringer Wald. Am Anfang war auch hier das Wort. ein fränkischer Glashüttenbesitzer sprach: „Nutzet die Hitze meiner Schmelzöfen.“ Naja, vielleicht wars nicht ganz so feierlich. Jedenfalls bestimmte er Ralf Schmitt zum Wächter über das fränkische Paradies. Und der schickte sich an, aus dem Nichts eine Welt zu erschaffen. Nun ist es fast fertig: Klein-Eden im oberfränkischen Klein-Tettau.

Schwaben

Mammutbaum, Küstentanne, Zypressen. Der Exotenwald in Diedorf bei Augsburg

Wald ist viel mehr als Sauerstofflieferant, ökologische Ausgleichsfläche oder Naherholungsgebiet. Wald ist eine der wirtschaftlichen Grundlagen Bayerns. Durch die Jahrhunderte haben private Stiftungen genauso wie öffentliche Einrichtungen oder Kommunen einen Großteil ihrer Rücklagen im Forst angelegt.

Die Sozialstiftung der Fuggerei in Augsburg etwa finanziert sich bis heute zum Großteil aus dem Waldbesitz, der ihr 1521 von Jakob Fugger dem Reichen übergeben wurde. Aber auch die reiche Stadt Augsburg verfügt über reichlich Wald.

Sie ist der größte kommunale Waldbesitzer Bayerns. Seit dem 17. Jahrhundert haben die Augsburger Stadtväter alles gekauft, was Bischof oder Kurfürsten an Wald feil war. Rund 7000 Hektar sind so im Lauf der Zeit zusammengekommen. Kein Wunder, dass man in Augsburg schon immer an der Spitze des Fortschritts marschiert ist, was die Waldbewirtschaftung angeht.

Auf einem fünf Hektar großen Waldstück im Forstrevier Diedorf etwa hat 1880 der damalige Oberforstrat Franz Ganghofer, ein Onkel des Schriftstellers Ludwig Ganghofer Versuchspflanzungen mit etwa 50 nordamerikanischen und asiatischen Baumarten angelegt. Wer heute durch diesen Exotenwald wandert, der erlebt ein lebendiges Baumlexikon.

München

Bayern, Japan, überall. In München sind alle in.

Wenn es um Exoten geht ist die Stadt gegenüber dem Land, schon ihrer Natur nach im Vorteil. Während das Land für das Bewährte, das gewohnte, die Heimat steht, erwartet man in der Stadt per se das Ungewohnte, das Überraschende, die Welt. Welche Stadt möcht nicht gern Weltstadt sein? Wir in Bayern haben diesbezüglich nur zwei Kandidatinnen aufzubieten. Einmal Nürnberg. War mal tatsächlich eine Weltstadt, ist aber schon ein paar Jahrhunderte her.

Und München? Wirkte schon zu den Zeiten der Kurfürsten und Könige gegenüber Wien eher wie ein fürstlich aufgebrezeltes Dorf, seit den 50er Jahren Millionendorf und seit der Olympiade selbstbetitelte "Weltstadt mit Herz". Für eine Zeitlang als heimliche deutsche Hauptstadt tatsächlich ein Fixstern am Jetset-Himmel und Treffpunkt der weltweiten Gspinnerten-Gemeinde. Seit der Wiedervereinigung aber werden die Exoten von einst langsam alt und sterben aus. Zuzugsmassen aus Ost- und Norddeutschland ersticken Originelles und Originales im Wirtschaftswohlstands-Einheitsbrei. Nicht einmal der echte Münchner hat Überlebenschancen. Er kommt sich mittlerweile als Exot in der eigenen Stadt vor.

Mehr Bayern genießen im Fernsehen

"Zwischen Spessart und Karwendel", sonntags, um 15 Uhr, auf BR-alpha.


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