Bayern 2 - Land und Leute


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Kriegsweihnacht 1916 Rübensuppe statt Gänsebraten

Das Jahr 1916 war ein schlimmes Kriegsjahr. Weil auch die Kartoffelernte schlecht ausfiel, wurden Steckrüben - bis dahin ein Futtermittel für die Schweine - zum wichtigsten Nahrungsmittel. Die "Dotschn" retteten die Menschen vor dem Verhungern. - Claudia Decker schaut noch einmal 100 Jahre zurück, auf den Alltag der Menschen an der Front und in der Heimat.

Von: Claudia Decker

Stand: 25.12.2016 | Archiv

Weihnachtspost und Karten an das Christkind um 1916, im "Salzburger Weihnachtsmuseum" | Bild: picture alliance/Barbara Gindl/APA/picturedesk.com

"Weihnacht! Friede den Menschen auf Erden! Schmerzlich zuckt das Herz an diesem Abend. Zum dritten Mal ist das Fest der Liebe herangekommen und immer noch konnte dem blutigen, völkermordenden Weltkrieg nicht Halt geboten werden. Frauen, Kinder und Männer mit weißen Haaren stehen heute unter dem Tannenbaum, der nicht mehr strahlt im vollen Lichterglanze, denn die Kriegsnot erlaubt nur mehr, ein paar eingesparte Kerzenstümpchen an den Zweigen zu befestigen. Und der Krieg, der den Glanz des Lichterbaumes ausgelöscht hat, lässt auch recht deutlich fühlen, wie der soziale Gedanke, von dem das christliche Fest getragen ist, im Laufe der Zeit verdunkelt und verdüstert wurde."

(Münchener Post, Ausgabe Sonntag, den 24. und Montag, den 25. Dezember 1916)

Eigentlich hätte der Krieg an Weihnachten 1914 schon enden sollen

Kriegs-Weihnachtskarte 1916

"Wieder kommt die Weihnachtszeit, Krieg ging nicht zu Ende", heißt es im Dezember 1916 in einem Kinderlied. Die Jubiläumsreden zum Beginn des Ersten Weltkriegs sind längst verklungen. Dreißig Monate dauert der Krieg schon, der eigentlich an Weihnachten 1914 hätte enden sollen. Doch der Austausch von Friedensnoten zwischen den Kriegsparteien ändert nichts an deren Kriegswillen. Wohin der führt, hat die Schlacht um Verdun gerade gezeigt: Mitte Dezember 1916 keine bedeutende Änderung des Frontverlaufs, dafür 360.000 Tote auf französischer Seite und 335.000 auf deutscher.

Hungerdemonstrationen und Krawalle in München

Elend der deutschen Bevölkerung im Kriegsjahr 1916: Eine alte Frau bricht in der Schlange vor einem Lebensmittelgeschäft vor Hunger zusammen.

Die Bevölkerung ist längst ernüchtert, leidet bittere Not. In München kommt es schon im Sommer 1916 zu Hungerdemonstrationen und Krawallen. Im November erlebt die bayerische Hauptstadt ihren ersten Fliegerangriff.  Frauen stehen schon in den frühen Morgenstunden vor den Geschäften, um Lebensmittel zu ergattern. Nach der schlechten Kartoffelernte werden Kohl- und Steckrüben zur Hauptnahrung. Kohle und Briketts sind rar und teuer, Strom muss gespart werden, Leuchtreklame aller Art wird verboten, Theater, Kinos, Gaststätten und Restaurants müssen um 22 Uhr schließen. Männliche Arbeitskräfte fehlen auf dem Land und in den Städten. Frauen müssen als "Kohlenträgerinnen" und Arbeiterinnen in Munitionsfabriken schwere körperliche Arbeiten übernehmen. Bis zu 16 Stunden dauern ihre Schichten. 

Kerzen und Weihnachtsbäume sind Mangelware

Weihnachtskarte 1916

An Weihnachten 1916 ist die Stimmung grau. Kerzen und Weihnachtsbäume sind Mangelware. Weihnachtsgebäck gibt es kaum noch;  wer genügend Brot hat, kann froh sein. Am 24. Dezember 1916 meldet der deutsche Heeresbericht: "An der West- und Ostfront im allgemeinen ruhiger Tag." In seiner Rede zum Jahresende 1916 spricht Kaiser Wilhelm II. immer noch von unerschütterlicher Siegeszuversicht. Das Schlachten im Westen und im Osten geht weiter.

Phantasievolle "Dotschen"-Rezepte

Steckrüben - auch Dotschen genannt

Die Dotschen - große, gelbe Rüben, auch Wrunken, Kohlrüben, Runkelrüben und Steckrüben genannt, waren ursprünglich Futtermittel für die Schweinemast. Im Dezember 1916 jedoch, ordnete die Reichsregierung in Berlin an, wegen der katastrophal schlechten Kartoffelernte  alle Steckrüben im Deutschen Reich zu beschlagnahmen. Wer sich weigerte, dem wurden die Dotschn trotzdem beschlagnahmt,  ohne Entschädigung. Die Bauern durften so viele Steckrüben behalten, dass jedem Familienmitglied  täglich ein Pfund blieb. Phantasievolle Kriegsrezepte erschienen in Zeitungen und Frauenzeitschriften. Kochanweisungen - Dotschengerichte für vier Personen:

Dotschensuppe
Dotschenauflauf mit Weißkraut
Dotschenkoteletten
Runkelrübensuppe mit Haferflocken
Runkelrübengemüse auf Kohlrabiart
Rohe Kartoffelklöße mit Runkelrüben gestreckt
Dotschenmarmelade


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