Bayern 2 - Land und Leute


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Richard Scheringer Ein Roter unter Schwarzen

Er war wohl der einzige Landwirt Bayerns, zu dessen Beerdigung die SED eine Delegation entsandte und Ernst Jünger einen Kranz schickte. Richard Scheringer - erst Soldat und Parteigänger der Nazis, dann bis an sein Lebensende Friedensaktivist und Kommunist - war eine außergewöhnliche und auch außergewöhnlich beeindruckende Persönlichkeit. Auf seinem Hof gaben sich Intellektuelle und Künstler die Klinke in die Hand - und er war nicht nur bei seinen Genossen, sondern auch bei seinen politischen Gegnern hoch angesehen.

Von: Peter Michael Schenkel

Stand: 26.10.2014 | Archiv

Richard Scheringer | Bild: picture-alliance/dpa

Vielleicht, weil das Wort "Kommunist" spätestens ab dem Beginn des Kalten Krieges ausreichte, einen damit Bezeichneten nicht weiter ernst zu nehmen, wird bis heute wenig gewürdigt, wie vielfältig und charakteristisch das Leben Richard Scheringers mit deutscher Zeitgeschichte verwoben ist.

"Für mich steht fest, daß in der damaligen Zeit, alle, die politisch aktiv waren, gedacht haben: Veränderungen in der Gesellschaft kann man nur mit Gewalt erreichen."

(Johann Scheringer)

Enttäuscht vom Unsozialistischen der Nazis

Marsch auf die Feldherrenhalle am 9. November 1938

Der Offizierssohn verliert den Vater früh im Felde und entfaltet sein politisches Bewusstsein inmitten von Versailler Vertrag, Dolchstoßlegende, Reparationszahlungen, Kapp-Putsch und Hitlers Marsch zur Feldherrnhalle, irrt zwischen links und rechts umher, wie diese ganze Epoche, in der die Nazis allen Ernstes die Wörter "sozialistisch" und "Arbeiter" im Parteinamen führen. Nach dem berühmten Reichswehrprozess 1930, in dem er und zwei Freunde wegen Anstachelung zum Umsturz verurteilt werden und Hitler als Zeuge auftritt, wird Scheringer, enttäuscht vom Unsozialistischen der Nazis, zum Kommunisten, einer der Freunde geht zur SA. Der SA-Freund schützt den Kommunisten bis zum Kriegsende. Der Kommunist erlebt, wie der SA-Freund 1947 als Kriegsverbrecher gehängt wird: deutsche Geschichte.

"Es gibt keinen Zweifel mehr: Die Freiheit steht allein bei den revolutionären Arbeitern, Bauern und Soldaten. Hier ist der Platz aller ehrlichen Kämpfer, nicht bei den Garden der Reaktion. Ich sage mich daher endgültig von Hitler und dem Faschismus los und reihe mich als Soldat in die Front des wehrhaften Proletariats ein."

(Richard Scheringer)

Er führte ein intensives Bauernleben

Richard Scheringer mit seiner Frau auf dem Dürrnhof

Seit 1930 beim bayerischen Kösching ansässig, führt Scheringer lebenslang ein intensives Bauernleben, verschenkt Land an Heimatvertriebene und setzt mit seiner Frau elf Kinder in die Welt, die ihre Wohnsitze zu etwa gleichen Teilen über BRD und DDR verteilen. Selten hat eine Familie in dieser Art deutsche Einheit gelebt, und er selbst wurde in den Fünfzigerjahren doch tatsächlich wegen des Vergehens vor Gericht gebracht, für die deutsche Einheit gestritten zu haben.

"Eine wahre Wohltat, den geliebten Dürrnhof zu bewirtschaften. Jetzt kann ich all das genießen, im Feld und im Stall, mit Marianne und den Kindern, inmitten von Rindern, Geflügel und Hunden. Da ist es wieder, das unbeschreibliche Gefühl …"

(Richard Scheringer)

Er war der berühmteste Kommunist Bayerns ...

... berühmt weit über seine Parteianhänger hinaus. Selbst ein katholischer Pfarrer schrieb an Bundespräsident Heuss, man möge ihn vor Haft bewahren. "Mei", hieß es gern, "er is halt bei der falschen Partei, aber großartig ist er." - Wegen seines Herzleidens riet ihm sein Arzt 1986 dringend davon ab, zum DKP-Parteitag zu reisen. Er tat's trotzdem, hielt eine flammende Rede und starb kurz danach.

"Ihr sollt das Banner, wenn es denn unseren Händen entgleitet, hineintragen ins kommende Jahrtausend."

(Aus Richard Scheringers Rede zum DKP-Parteitag in Hamburg, 1986)


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