Bayern 2 - Land und Leute


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Mann aus St. Gallen Reformator Christoph Schappeler in Memmingen

Charismatischer Prediger und Mitverfasser der berühmten "Zwölf Artikel" der aufständischen Bauern: Als Fürsprecher einer neuen Theologie und einer gerechteren Gesellschaftsordnung war er die treibende Kraft der Reformation in der Freien Reichsstadt Memmingen.

Von: Ulrich Klenner

Stand: 07.05.2017 | Archiv

Die Wandmalerei am Haus der Kramerzunft  Memmingen zeigt Christoph Schappeler (r.), Sebastian Lotzer (M.) und Bauern | Bild: Ulrich Klenner

Aus dem Ratsprotokoll der Stadt Memmingen zum 21. August 1521:

"Der Prediger zu Sankt Martin hat vor 14 Tagen eine freventliche Predigt getan, also man straf die Reichen nicht wie die Armen …"

(Ratsprotokoll der Stadt Memmingen)

Und zwei Jahre später heißt es im Protokoll:

"Der Lutherey halber ist abermals Empörung vorhanden. Der Prediger ist kommen aus der Schweiz und zu Zürich bei Zwingli gewesen; hat wider die Messen, Fürbitt der Heiligen und anderes gepredigt …"

(Ratsprotokoll der Stadt Memmingen)

Christoph Schappeler ist ein Freund und Anhänger von Ulrich Zwingli

Ulrich Zwingli, Schweizer Reformator (1484-1531)

Der Mann, dem solcherart eine aufrührerische Gesinnung zugeschrieben wird, ist seit 1513 Prädikant in der Memminger Martinskirche. Er stammt aus St. Gallen, wo er Lateinschullehrer war, und hat nach eigenem Bekunden Theologie und Jursiprudenz studiert. Schappeler ist ein Freund und Anhänger von Ulrich Zwingli, der zwar theologisch die meisten Grundpositionen Luthers teilt, aber in seiner Einschätzung der Rolle der Obrigkeit kritischere Maßstäbe anlegt. Aus diesem Geist heraus wird Schappeler in Memmingen zur treibenden Kraft der Reformation. Seine Thesen und Forderungen fallen nicht nur in der Reichsstadt, sondern auch in den umliegenden Dörfern auf fruchtbaren Boden. Wegen des großen Andrangs zu seinen Predigten müssen Ordnungsdienste eingeführt werden.

Die Gräben zwischen Armen und Reichen waren immer tiefer geworden

Die Martinskirche in Memmingen, in der Christoph Schappeler predigte

Christoph Schappeler kümmerte sich offenbar nicht allein um das Seelenheil der Kirchgänger, sondern mischte sich auch in politische Angelegenheiten ein. Kritisierte das Vorgehen der Obrigkeit gegen Bettler und Almosenempfänger und machte sich für die Rechte der Armen stark.

In der Freien Reichsstadt Memmingen hatten die Zünfte das Sagen: Sie wählten den Rat und den Bürgermeister, trugen dafür Sorge, dass Handwerk und Handel gediehen - und der soziale Friede gewahrt blieb. Doch die wirtschaftliche Entwicklung in den Jahrzehnten vor der Reformation hatte die Gräben zwischen Armen und Reichen vertieft. Der Rat befürchtete, der Mann aus St. Gallen könne den schwelenden sozialen Konflikt noch weiter schüren.

Kritik am Zustand der römischen Kirche

Sebastian Lotzer (Ausschnitt einer Wandmalerei am Haus der Kramerzunft Memmingen)

Das Kirchenrecht und die päpstlichen Dekrete seien rein weltlicher Natur und bräuchten deshalb nicht befolgt zu werden, predigte Schappeler. Seine Kritik am Zustand der römischen Kirche und am Betragen der Kleriker wurde von vielen Zeitgenossen geteilt. Einer von Schappelers treuesten Weggefährten in Memmingen, der Kürschnergeselle Sebastian Lotzer, geißelte das "Pfaffenunwesen" in nachgerade heiligem Zorn:

"… sie wollen Land und Leute han, hohe Rosse reiten, (…) sie verkaufen all die Gab und Gnad Gottes um Geld (…). Die Klosterfrauen wissen als wenig als ein Gans, was sie beten in Latein, denn sie verstandts nitt."

Memmingen wird zum "geistigen Zentrum des Bauernkriegs"

Die Zwölf Artikel der Bauernschaft, zusammengefasst im Februar 1525 von Sebastian Lotzer in Memmingen

Dass die Stadt schließlich mit den aufständischen Bauern sympathisiert und sogar zum "geistigen Zentrum des Bauernkriegs" wird, wie der Historiker Peter Blickle es formulierte, ist auch auf Schappelers Wirken zurückzuführen. Die berühmten "12 Artikel" der Aufständischen wurden in Memmingen verabschiedet und gelten heute als erste Artikulation der Würde des Menschen und seiner Freiheitsrechte. In welchem Umfang Schappeler Anteil daran hatte, ist bis heute nicht ganz geklärt,  jedenfalls sollte er als Rädelsführer verhaftet werden, nachdem die Truppen des Schwäbischen Bundes die Stadt besetzt hatten. Schappeler gelang die Flucht - zurück nach St. Gallen, von wo er gekommen war, um der Freiheit aller Christenmenschen das Wort zu reden …


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