Bayern 2 - Land und Leute


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Heinz Piontek Nachkriegszeit in der Oberpfalz

Als es ihn nach Kriegsende mit 19 Jahren nach Waldmünchen verschlug, war er noch ein Nobody. Doch bereits in den 70er Jahren galt er als Schriftsteller von Rang. - Bernhard Setzwein erzählt von Heinz Pionteks schwierigen Anfängen in schwieriger Zeit.

Von: Bernhard Setzwein

Stand: 28.06.2015 | Archiv

"Nach Waldmünchen nahm uns zunächst der Fahrer eines LKW ohne Plane mit. (…) Einige Zeit später musste er über eine Nebenstraße zu einem abseits gelegenen Ort. Wir hatten Glück, denn anschließend fanden wir einigermaßen Platz auf einem halbvollen Panjewagen, der von zwei echten kleinen zottigen Russenpferden gezogen wurde. Ein Gärtnereibesitzer kutschierte ihn, der hernach irgendwo nach Rötz abbog. So brauchten wir nur die letzten Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Jeder von uns gab sich Mühe, seine Unruhe, seine Spannung oder seine Befürchtungen vor dem anderen zu verheimlichen. Auf der augenblicklich leeren Landstraße fingen wir wieder einmal an, Filmmelodien zu pfeifen, auf die wir große Stücke hielten. Bis wir die Dächer Waldmünchens deutlich vor uns sahen."

(Aus Heinz Piontek, 'Stunde der Überlebenden', Bergstadtverlag, 1989)

Mangelernährung, Schwarzmarkt und Flüchtlingselend

Straßenszene aus dem Jahr 1945

Im Mai 1945 wird der erst 19jährige Heinz Piontek aus einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager in Kötzting im Bayerischen Wald entlassen. Er besitzt gerade noch, was er am Leib trägt. Zurück in seine Heimat, das oberschlesische Kreuzburg, kann er nicht mehr. So folgt er dem Ratschlag seines Freundes Hans Michnick und schlägt sich zusammen mit diesem nach Waldmünchen durch. Das kleine Städtchen, direkt an der tschechischen Grenze gelegen, bietet ihm für die kommenden eineinhalb Jahre Unterschlupf. Hier erlebt der junge Mann all das, was die unmittelbare Nachkriegszeit gerade auch in der bayerischen Provinz prägte: amerikanische Besatzer und befreite Oberpfälzer, Wohnungsnot und Mangelernährung, Schwarzmarkt und Flüchtlingselend, unbelehrbare und gewendete Nazis. Er erlebt aber auch ein neues, befreites Lebensgefühl, die schüchterne Romanze mit dem Flüchtlingsmädchen Hannah und bis dato unbekannte kleine Freuden: Nachmittage im Waldmünchner Freibad, Tanzabende bei "Ami-Musik".

"Stunde der Überlebenden"

Heinz Piontek (l.) erhält den Georg-Büchner-Preis (1976)

An all das hat sich Heinz Piontek viele Jahre später noch einmal erinnert. Mittlerweile war er mit über 40 Buchpublikationen zu einem der angesehensten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur geworden, ausgezeichnet unter anderem mit dem Georg-Büchner-Preis. In einem autobiographischen Roman zeichnet er die "Stunde der Überlebenden" nach. Bernhard Setzwein stellt dieses packende literarische Zeitdokument vor und ergänzt es mit den Erinnerungen von Zeitzeugen in Waldmünchen.

"Nach gut 300 Seiten, auf denen Heinz Piontek das Leben in Waldmünchen bei Kriegsende '45 geschildert hat, bildet die Ankunft in München den Abschluss seiner Autobiographie. Wie es danach mit ihm weiterging, kann man vor allem in seiner Romantrilogie 'Die mittleren Jahre', 'Dichterleben' und 'Juttas Neffe' nachlesen. In diesem Sinne markiert das München-Kapitel am Ende von 'Stunde der Überlebenden' einen Neuanfang."

(Bernhard Setzwein)

Literaturhinweis:

Stunde der Überlebenden:
Autobiographischer Roman

Autor: Heinz Piontek
Gebundene Ausgabe: 606 Seiten
Verlag: Bergstadtverlag (1989)
ISBN-10: 3870571470
ISBN-13: 978-3870571474


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