Bayern 2 - Heimatspiegel


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Bumeders Buchtipps Die Bayerische Bücherschau Herbst 2015

Die Buchliste mit Leseempfehlungen für den Herbst aus und über Bayern, zusammengestellt von Franz Bumeder. Es sind Neuerscheinungen aus den Bereichen Geschichte und Kulturgeschichte, ein Wirtshausführer und ein Bildband gehören dazu.

Von: Franz Bumeder

Stand: 23.10.2015 | Archiv

Franz Bumeder | Bild: BR

Die besprochenen Titel im Einzelnen:

Autor Franz Bumeder mit einem Buch, das er empfehlen kann

Schwarz, Barbara. Bier und Barock. Volk-Verlag München
Kinast, Florian. 111 Gründe Bayern zu lieben.
Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten et. al. (Hrsg.) 100 ausgezeichnete Gasthäuser in Bayern. Volk Verlag München
Höpfinger, Renate et. al. (Hrsg.). Franz Josef Strauß. Die Macht der Bilder. Allitera Verlag München
Ingram, Hans. Chronik eines Weltläufers. Karl-May-Verlag Bamberg
Bußmann, Hadumod. Titel „Prinzessin Dr. h.c. Therese von Bayern – Ihr Leben zwischen München und Bodensee – zwischen Standespflichten und Selbstbestimmung“. Allitera Verlag München
Krauss-Meyl, Sylvia. Das Oktoberfest. Zwei Jahrhunderte Spiegel des Zeitgeistes. Pustet Regensburg
Stankiewitz, Karl. Minderheiten in München. Zuwanderung, Ausgrenzung, Integration – vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Pustet Regensburg

Dass bei Wallfahrten oder besser nach Wallfahrten auch eine gepflegte Einkehr zum Programm bayerischer Pilger gehört, hat Tradition. Schließlich machen viele gelaufene Kilometer und viele gebetete Rosenkränze durstig.

"Leib und Seele, Wirtshaus und Kirche. Das gehört in Bayern zusammen, Kaum ein Dorf in dem nicht das Wirsthaus neben der Kirche steht, kaum ein Kloster, in dem nicht auch ein eigenes Bier für den Hausbdedarf und als Verköstigung für die Wallfahrer gebraut wurde."

Barbara Schwarz

Bier und Barock. Volk-Verlag München

Auszug aus dem Vorwort, zu „Bier und Barock“, einem wunderschönen Bildband über Kirchen und Wirtshäuser aus dem Münchner Volk-Verlag. Der Baustil der erwähnten Kirchen ist, was sonst, fast immer Barock. Und deshalb liefert die Einheit von Bier und Barock nicht nur einen passenden Buchtitel. Die Autorin Barbara Schwarz präsentiert auch jede Menge Information: spannend zu lesen und gefällig für das Auge. 47 Orte beschreibt die gebürtige Tölzerin im bayerischen Voralpenland, eingeteilt in neun Touren vom Pfaffenwinkel bis in den Chiemgau.

"Seit dem Mittelalter, urkundlich nachgewiesen seit 1455, wurde auf dem Heiligen Berg Bier gebraut. Die Benediktiner haben die Kunst des Brauens sowie die Rezepturen gepflegt und ständig verfeinert. Trotz der Säkularisation 1803 führte die Andechser Brauerei ihren Braubetrieb fort. 1850 wurde die Andechser Brauerei Teil des Wirtschaftgutes der von König Ludwig I. gegründeten Abtei St. Bonifaz in München."

Barbara Schwarz

Weitere Beispiele sind Ettal, Wessobrunn oder Kloster Reutberg. Insgesamt ist das Buch eine äußerst gelungene Neuerscheinung, ideal für trübe Herbsttage, an denen man sich schon auf das kommende Frühjahr freut.

100 ausgezeichnete Gasthäuser in Bayern

Eher für den bevorstehenden Winter geeignet ist ein anderes Buch aus dem Volk-Verlag. Oder besser: ein spezieller Ratgeber für Liebhaber besonderer Wirtshäuser. Unter dem Motto „Regional. Saisonal. Original“, auf das auch Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner in einem Vorwort hinweist, werden 100 ausgezeichnete Gasthäuser in Bayern vorgestellt. Rund 300 Wirte aus dem ganzen Freistaat haben sich für diese Art Gütesiegel beworben, eine, zwei oder drei Rauten stehen für den Erfolg dieser Bewerbungen.

Gegliedert sind die Tipps übersichtlich nach den sieben Regierungsbezirken. Auffällig ist die ungleiche regionale Verteilung. Warum etwa 43 Lokalitäten in Oberbayern und nur elf in der Oberpfalz aufgeführt sind, diese Antwort bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Nützlich sind auf jeden Fall Basis-Infos wie Adressen, Telefonnummern und Webseiten. Allein schon Appetit anregend sind aber auch die Fotos einzelner Gerichte. Zudem weisen bei jedem vorgestellten Gasthaus Symbole übersichtlich auf Besonderheiten wie hauseigene Brauerei, Metzgerei oder etwa einen dazu gehörigen Hofladen hin.

111 Gründe Bayern zu lieben.

111 Dinge, die man wissen muss, 111 Orte, an denen man gewesen sein muss, usw. Langsam wird die Reihe von Neuerscheinungen, die Lesern 111 irgendwas empfehlen, unübersichtlich. Wer jetzt keine großen wortgewaltigen Empfehlungen erwartet, wer einfach in kurzen Kapiteln nette Geschichten lesen will, der erfährt in einem Taschenbuch „111 Gründe Bayern zu lieben“. In vierzehn Kapiteln geht es etwa um Grundwissen, um Sportliches, aber auch um Sagen und Mythen oder um bayerische „Starke Frauen“ und „große Denker“ wie Karl Valentin, Oskar-Maria Graf, Lena Christ, Lion Feuchtwanger, Rainer-Maria Rilke und  Olaf Gulbrannson.

Daneben gibt es dann noch „Echte Typen“ oder „Sehenswertes“. Schon der Untertitel des Buchs „Eine Liebeserklärung an die schönste Region der Welt“ zeigt die Herkunft des Autors. Der gelernte Journalist Florian Kinast ist nicht nur in München geboren, sondern hat sein ganzes bisheriges Leben im Freistaat verbracht.

"Die These, der Geist steht links, ist nichts als die permanente Wiederholung einer Dummheit."

Franz Josef Strauß

Eine der wohl bekanntesten Politiker-Stimmen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Stimme eines Politikers, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre, in diesem Buch wird sie lebendig. Feiern, Gedenkveranstaltungen, Zeitungsartikel, Filme und Dokumentationen erinnerten seit dem Sommer wochenlang an Franz Josef Strauß. Deutlich wurde wieder, dass der ehemalige CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident auch 27 Jahre nach seinem Tod immer noch polarisiert.

"Das geht sie, ja ich sage jetzt einen ganz vornehmen Ausdruck, einen feuchten Staub an."

O-Ton Franz Josef Strauß

Franz Josef Strauß. Die Macht der Bilder.

Wochenlang war Strauß aber nicht nur zu hören. Eine ganz spezielle Ausstellung präsentierte das Münchner Stadtmuseum. „Franz Josef Strauß und die Macht der Bilder“. Wer die Ausstellung versäumt hat, kann in einem Begleitband diese Macht der Bilder nachvollziehen. Wahlplakate gehören genauso dazu wie Presse- oder private Fotos, aber auch wohlwollende und kritische Karikaturen, etwa von Ernst Maria Lang, Ernst Volland oder Klaus Staeck, dazu kommen einordnendeTexte von Zeitgeschichtlern. Ein Buch, das die verschiedensten Facetten des FJS in Erinnerung ruft, anschauens- und lesenswert sowohl für Gegner als auch für Fans eines der umstrittensten deutschen Politiker.

Chronik eines Weltläufers

Eine sehr interessante, ja fast skurrile Neuerscheinung hat mit Bayern direkt nichts zu tun. Sie kommt aber aus einem bayerischen Verlag: dem renommierten Karl-May-Verlag in Bamberg. Aufgemacht wie ein weiterer Band der „Gesammelten Werke“ ist jetzt die „Chronik eines Weltläufers“ erschienen. Ein streng wissenschaftliches Werk ist das natürlich nicht, doch für Karl-May-Verleger Bernhard Schmid steckt der Band trotzdem voller Überraschungen.

"Man kann ihn natürlich auch mit einem kleinen Augenzwinkern lesen, der Hans Ingram musste natürlich an manchen Stellen noch ein bisschen basteln, dass es zusammenpasst. Er hat uns auch auf Einzelheiten aufmerksam gemacht, z.B. dass Karl May oder der Ich-Held, Kara Ben Nemsi auch einmal in Rom, beim Papst gewesen sein muss, das hat er nur an einer ganz kleinen Stelle gefunden, dass Karl May das erwähnt hat."

Bernhard Schmid

Ein Buch, das nicht nur Karl-May Fans Spaß machen dürfte. Ein Konglomerat aus Fakten, Zitaten aus Mays Reiseromanen und frei erfundenen Passagen. So entsteht ein Spiegelbild des großen sächsischen Fabulierers.

„Prinzessin Dr. h.c. Therese von Bayern – Ihr Leben zwischen München und Bodensee – zwischen Standespflichten und Selbstbestimmung“.

Ganz auf historischen Tatsachen beruht dagegen das Porträt einer der spannendsten bayerischen Frauengestalten des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Keine Angst: dem unglaublich sperrigen Titel „Prinzessin Dr. h.c. Therese von Bayern – Ihr Leben zwischen München und Bodensee – zwischen Standespflichten und Selbstbestimmung“ folgt eine lesenswerte Abhandlung über diese große Wittelsbacher Prinzessin. Die Autorin, die Sprachwissenschaftlerin Hadumod Bussmann, hat ja schon eine Biographie über Therese verfasst. Und je mehr sie sich dieser Frau widmet, desto mehr ist sie fasziniert:

"Ihr unglaublicher Wissensdurst, ihre Leidenschaft fürs Sammeln naturwissenschaftlicher Gegenstände, ihre Freiheitssehnsucht, dann ihre große schriftstellerische Leistung und nicht zuletzt ihre politische Einstellung."

Hadumod Bussmann

Genau diese ihre politische Einstellung machte ihr immer mehr zu schaffen. Denn fast sensationell wirkt heute ihre pazifistische Haltung während des Ersten Weltkriegs, festgehalten in eigenen Aufzeichnungen in ihrem Refugium, in ihrer Villa am Bodensee.

"Wenn aber in den Kreisen, in denen ich verkehren musste die Meinungen der Leute mir gar zu verdreht und widersinnig entgegen traten; dann ließ ich hie und da ein Wörtchen fallen. Dies genügte jedoch schon unter all den kriegshypnotisch eingestellten Bekannten, mich meinen Patriotismus zu verdächtigen, indessen gerade meine Verzweiflung über die Politik meines Vaterlandes dem reinsten Patriotismus entsprungen war. Bis nach München sickerten diese Verdächtigungen durch und es fielen dort wiederholt Äußerungen, ich gehörte eingesperrt. Ach hätten sie mich nur eingesperrt."

Therese von Bayern.

Dass eine solche Haltung nicht unbedingt Freude am Münchner Hof auslöste ist klar. Nicht zuletzt deshalb zog sich Therese immer mehr aus München an den Bodensee zurück. Und das ist das Thema des Buches: die Spaltung zwischen München – das hieß Pflicht und Verantwortung - und dem Bodensee – stellvertretend für Neigungen und Freigeist - dieser Spagat prägt dieses hervorragende Buch von Hadumod Bußmann.

Vor drei Wochen ist die diesjährige Wiesn in München zu Ende gegangen. Eigentlich also keine Zeit mehr für ein Wiesnbuch. Dem Pustet-Verlag scheint das egal zu sein, zu Recht. Denn das, was Sylvia Krauss-Meyl, Archivarin am Hauptstaatsarchiv München in der Reihe „Kleine Münchner Geschichten“ vorgelegt hat, hat nichts mit Saufen, Schunkeln und Wiesn-Hits zu tun. Sie meint sogar, das interessiere sie nicht. Ihr geht es vielmehr unter anderem um die politische Bedeutung des Oktoberfestes für die jeweils Herrschenden:

Das Oktoberfest. Zwei Jahrhunderte Spiegel des Zeitgeistes.

"Durch das ganze 19. Jahrhundert, bis zum Ende der Monarchie hindurch, war der Monarch immer präsent. An ihm hat sich das Fest ausgerichtet, er hat auch das Fest genutzt, um seine Politik populär zu machen, um in Krisensituationen sich dem Volk zu zeigen, das war also ein ganz wichtiges Instrument in jeder Zeit, aber auch heute."

Sylvia Krauss-Meyl

Doch das ist nur ein Aspekt. Krauss-Meyl geht es ganz einfach – und das zeigt der Untertitel des Buchs „Das Oktoberfest“ um „Zei Jahrhunderte Spiegel des Zeitgeistes.“

Minderheiten in München. Zuwanderung, Ausgrenzung, Integration – vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

Dem Zeitgeist, dem ganz aktuellen widmet auch Karl Stankiewitz Teile seines in derselben Reihe erschienenen Bandes „Minderheiten in München“.  Der mittlerweile 87-jährige Journalist beschreibt sowohl Integration als auch Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen,die plötzlich nach München kamen – und dort auf recht unterschiedliche Reaktionen stießen: Juden, die sich bald nach der Stadtgründung ansiedelten, Protestanten, Freimaurer, Sudetendeutsche nach dem Zweiten Weltkrieg und ganz aktuell – Flüchtlinge aus Notstands- und Kriegsgebieten. Für den Regensburger Verleger Fritz Pustet war das nicht wirklich geplant, aber irgendwie doch Absicht:

"Es lenkt bei der Lektüre den Fokus nochmal auf diese Problematik. Es scheut sich auch Herr Stankiewitz nicht, dezidierte persönliche Sichtweisen zu vertreten. Also es schärft den Blick, und es regt zu einem eigenen Urteil an."

Fritz Pustet


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