Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Nostalgisch Reisen Hoch auf dem gelben Wagen und unter Dampf

Ulrich Zwack begibt sich sowohl im richtigen Leben als auch im Reich der Reiseliteratur auf eine nostalgische Reise zu Wasser, zu Lande und in der Luft.

Von: Ulrich Zwack

Stand: 19.08.2017 | Archiv

Postkutsche, Nürnberg | Bild: picture-alliance/dpa/Daniel Karmann

"Postkutschenfahrten liegen voll im Trend. Man kann mit der Postkutsche z.B. durchs fränkische Knoblauchsland zockeln oder vom Starnberger See zu den Königschlössern Neuschwanstein und Hohenschwangau. Und sogar der altehrwürdige 'Lindauer Bote' verkehrt jetzt wieder, wie schon vor Zeiten, zwischen dem Bodensee und Mailand, bzw. Lindau und Como. Von ihm hat sich u.a. auch schon Geheimrat Goethe gen Süden kutschieren lassen. Natürlich stehen fast sämtliche heutigen Postkutschenunternehmen unter Privatregie. Nur bei der Bad Kissinger Postkutsche handelt es sich noch um eine echte, offizielle Postkutsche, denn sie wird von der Deutschen Post betrieben. Besonders alt ist sie deswegen freilich nicht. - Das Gefährt selber ist nur der Nachbau einer Kutsche aus dem 19. Jahrhundert."

(Ulrich Zwack)

Großraumjet, Hochgeschwindigkeitszug und Luxusdampfer

Antonov AN-2 ("Tante Anna")

Wie so vieles andere mehr ist auch das Reisen im 3. nachchristlichen Jahrtausend dem Diktat des Events unterworfen. Wenn schon reisen, dann bitte möglichst spektakulär und exklusiv. Im komfortablen Großraumjet, im Hochgeschwindigkeitszug, auf dem Luxusdampfer. Andererseits gibt es auch Reisefans, die gleichfalls das Besondere suchen, sich dabei jedoch strikt an historischen Vorbildern orientieren. Sie starten zum Wolkenritt an Bord der legendären Ju 52 ("Tante Ju") oder der nicht minder legendären Antonov AN-2 ("Tante Anna"), fahren in einem echten Zeppelin, oder genießen (mit der schützenden Skibrille vor den Augen) den Funkenflug und den typischen Geruch historischer Dampflokomotiven.

Historische Dampflok von 1930

"Ich denke, dass wenigstens für mich, der große Reiz historischer Verkehrsmittel gerade in ihrer Unvollkommenheit steckt. Ein ICE-Triebwagen oder ein Airbus mögen fraglos elektronisch gesteuerte, perfekte technische Wunderwerke darstellen. Aber im Zeitalter von Smartphone, WLAN und Navigationsgerät bilden elektronisch gestützte Meisterwerke geradezu den Normalfall – und sind somit stinklangweilig.

Anders die S 3/6 der ehemaligen Königlich Bayerischen Staatsbahn. Sie wirkt nicht ICE-glatt, sondern kraftvoll, ungebändigt und gefährlich. Fast hat man das Gefühl, als ob sie lebt. In der Tante Anna hat man das Gefühl, in die Ära der tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten zurückversetzt zu werden - und wird auch selber fast zum Fliegerheld. Eine Postkutsche fährt so langsam, dass man auf einmal das uns vielfliegenden von Kontinent-zu-Kontinent-Springern längst abhanden gekommene Gefühl für die zwischen A und B tatsächlich liegende Entfernung zurück geschenkt bekommt, und die Muße, das Zurücklegen der Strecke zu genießen, obendrein.

Hinter all dem steht  selbstverständlich einmal mehr nur die übliche Vorstellung von der verloren gegangenen, guten alten Zeit. Zwar weiß inzwischen fast ein jeder, dass es sich dabei nur um ein Trugbild handelt. Und wären wir heute bei der Bewältigung unseres von Hektik geprägten Alltags auf die Vehikel unserer Altvorderen angewiesen, müssten wir schier verzweifeln. Aber auch Trugbilder können halt schrecklich schön sein."

(Ulrich Zwack)

Reisen auf Schusters Rappen

Wandergruppe unterwegs in der Sächsischen Schweiz

Manche nostalgische Reise-Vergnügungen kosten eine Stange Geld. Andere, wie etwa die Fahrt mit Deutschlands letzter regulärer Postkutsche in Bad Kissingen oder die Raddampferpassagen auf etlichen bayerischen Seen, sind dagegen erstaunlich günstig. Bei aller Begeisterung für derlei Lustbarkeiten sollte man jedoch nicht vergessen, dass die Fortbewegung mittels aus heutiger Sicht "uriger" Vehikel von den Zeitgenossen, denen gar keine andere Wahl blieb, oft völlig anders beurteilt wurde. Das Unterwegssein auf Holperpfaden in schlecht gefederten Karossen etwa wurde meist als Tortur empfunden. Eine Schiffspassage - ganz zu schweigen von einer Flugreise - war für weite Kreise der Bevölkerung ohnehin nicht erschwinglich. Blieb meist nur die älteste und zugleich preiswerteste Form der Fortbewegung: das Reisen auf Schusters Rappen - und auch das erfreut sich heute wieder wachsender Beliebtheit.


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