Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Graf und von Horváth Ende einer Dichterfreundschaft

Heute geht es um zwei der bedeutendsten Schriftsteller der bayerischen Literaturgeschichte, die beide gegen die braune Gefahr kämpften, sich jedoch ausgerechnet wegen ihrer unterschiedlichen Haltung gegenüber den nationalsozialistischen Machthabern entzweiten.

Von: Elisabeth Tworek

Stand: 27.06.2015 | Archiv

Oskar Maria Graf und Ödön von Horváth | Bild: Georg Schödl/Süddeutsche Zeitung Photo; picture-alliance/dpa

"Was macht eine Dichterfreundschaft aus? Wie bei einer sonstigen Freundschaft auch begegnet man sich, kommt miteinander ins Gespräch und erkennt eine innere Vertrautheit. Man lernt sich immer mehr schätzen, teilt Freud und Leid miteinander, kämpft für eine gemeinsame Sache und geht ein Stück des Weges gemeinsam. Dann trennen sich möglicherweise die Wege wieder."

(Elisabeth Tworek)

Aus der "Kunststadt München" wurde ein "Mekka der Reaktion"

Der "Schelling-Salon" in der Münchner Maxvorstadt

Die Schriftsteller Ödön von Horváth und Oskar Maria Graf waren Duzfreunde. Beide wohnten sie in München ganz in der Nähe der Schellingstraße und waren in den 1920er Jahren Stammgäste im "Schelling-Salon". Beide saßen im "Schutzverband Deutscher Schriftsteller" am Tisch der jungen Autoren. Weißer Terror und Hitlerputsch hatten Bayern inzwischen zu einer "Ordnungszelle des Reiches" werden lassen. Und aus der "Kunststadt München" war ein "Mekka der Reaktion" geworden. Ödön von Horváth, Diplomatensohn mit ungarischem Pass, war in den Metropolen Mitteleuropas aufgewachsen und analysierte das Geschehen von außen. Oskar Maria Graf stammte aus einer Bäckerei am Starnberger See und war selber einer aus dem Volk. Beide wollten sie herausfinden, warum die aggressive "nationale Bewegung" auf dem Boden bierseliger Gemütlichkeit in Bayern so prächtig gedieh.

Graf beendete die Freundschaft mit einem Brief

Der "Völkische Beobachter" vom 31.1.1933, dem Tag der Machtübernahme der Nationalsozialisten

Im Zuge von Hitlers Machtübernahme musste Ödön von Horváth im Februar 1933 aus dem Landhaus seiner Eltern in Murnau fliehen. Oskar Maria Graf, der sich zufällig auf einer Lesereise befand, konnte nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Als Horváth Ende Mai 1933 eine bereits zugesagte Unterschrift unter eine Protestresolution antifaschistischer Autoren an den PEN-Kongress in Ragusa zurückzog, kündigte ihm Graf in einem offenen Brief die Freundschaft auf: "Du willst Dir nach keiner Seite irgendein Geschäftchen verderben. Mit solchen Leuten, deren Gesinnung nicht weiter reicht als ihr Maul, und die bei einem so geringfügigen Ansinnen die Flucht ergreifen, habe ich nichts zu schaffen."

Das "Murnauer Tagblatt" hetzte gegen Ödön von Horváth

Der Offene Brief von Oskar Maria Graf fand in allen großen österreichischen Tageszeitungen rasche Verbreitung. So auch in der Innsbrucker Volkszeitung. Im nur 90 km entfernten Murnau griff man den Frontalangriff gerne auf. Zum einen, um den vertriebenen Ödön von Horváth in Murnau als Lügner zu strafen. Zum anderen, um Zwietracht unter den wenigen Murnauer Horváth-Freunden zu säen. Das scharf zensierte „Murnauer Tagblatt“ druckte den offenen Brief komplett ab. Und als die Murnauer am 21. Juni 1933 frühmorgens die Lokalzeitung aufschlugen, bekamen sie folgendes zu lesen:

"Es wird uns ein Ausschnitt aus der roten Innsbrucker Volkszeitung zur Verfügung gestellt, der nicht uninteressant ist, da er sich mit dem Schriftsteller Oedoen Horváth beschäftigt, von dem wir seit seiner Abreise aus Murnau nichts mehr gehört haben. Es ist bekannt, dass Horváth Kleistpreisträger wurde und dass er zu einer Clique gehörte, die im neuen Deutschland jetzt ausgespielt hat. Besonders interessant ist, dass Horváth Schauermärchen zu erzählen weiß darüber, wie er von zehn S.A. Männern aus Murnau vertrieben worden sei. Hier weiß jeder, dass Horváth durch herausforderndes Benehmen einen ernsten Konflikt mit der S.A. heraufbeschwor, dass er aber nicht durch 10 S.A. Männer vertrieben wurde, sondern dass ihn 2 S.A. Männer zu seinem persönlichen Schutz heimbegleiteten. Am anderen Tag reiste er dann in aller Frühe selbst ab, ohne dass sich die S.A. um ihn weiter bemüht hätte."

(Murnauer Tagblatt, 21.6.1933)

Unterschiedliche Perspektiven

Elisabeth Tworek

Elisabeth Tworek schildert, wie die beiden jungen Schriftsteller als erklärte Gegner des Nationalsozialismus dessen raschen Aufstieg aus ganz unterschiedlichen Perspektiven in ihren Erzählungen und Romanen dokumentierten - und wie ihre Freundschaft an der unterschiedlichen Haltung gegenüber den Nationalsozialisten zerbrach.


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