Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Bulldogs und Dieselrösser Kleine Geschichte des Traktors auf Bayrisch

Eigentlich sind es nur landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge - seelenlose Maschinen also, sollte man meinen. Für die Kenner der Materie aber handelt es sich um mechanische Arbeitstiere mit Charme und Charakter - um liebenswerte Kraftpakete mit einem Drehmoment, das die Herzen höher schlagen lässt und die Leidenschaft auf Touren bringt.

Von: Ulrich Zwack

Stand: 03.12.2016 | Archiv

Ein Traktor vom Typ Fendt Dieselross Baujahr 1957 (l.) steht einem Traktor vom Typ Ursus Baujahr 1950 gegenüber | Bild: picture-alliance/dpa/Zentralbild/Patrick Pleul

Das Wort Traktor kommt vom lateinischen "trahere". Das bedeutet ziehen. Folglich ist ein Traktor eine Art motorisiertes Zugtier; gewissermaßen der direkte Nachfahr von Pferd, Ochs und Esel. In Bayern liegt der Fall allerdings ein wenig anders. Denn dort wurde der Traktor bis vor wenigen Jahrzehnten ausschließlich Bulldog genannt. Also wie ein Tier, das sich kaum zum Ziehen von Pflug, Egge, Mähbaum oder Heuwagen eignet. Des Pudels Kern: Der Bulldog wurde nicht nach der gleichnamigen englischen Hunderasse getauft, sondern nach einem Traktormodell der Mannheimer Firma Lanz - das (nicht nur) in Bayern einst so beliebt war, dass es gleich für die ganze Gattung Pate stand.

Das Fendt-"Dieselross" mit stattlichen sechs PS

Ein Fendt-Traktor - das "Dieselross" aus dem Jahre 1930

Dabei gab es doch auch zuhauf bayerische Traktorhersteller, z.B. Fendt, M.A.N., Schlüter oder Eicher, um nur ein paar zu nennen. Manche existieren immer noch, andere haben die Produktion längst eingestellt. Aber alle haben mitgeholfen, dass der Traktor heute aus der Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken ist. Der Weg dorthin war lang. Während das Fendt-"Dieselross" in den 1920er Jahren gerade mal sechs Pferdestärken auf die Scholle brachte, preschen seine Nachfahren heute mit bis zu 360 PS und bis zu 60 km/h durch Wald und Flur.

Der Lanz Leo und seine Liebe zu Traktoren

Der Lanz Leo mit einem seiner Traktoren

Leo Speer alias "Lanz Leo" ist nicht nur vom Traktor-, sondern vom Landmaschinenvirus überhaupt schon so lange befallen, wie er denken kann. Als Kind hat er die Schule geschwänzt, um sich aufregende Aktionen von Dampfmaschinen, Traktoren oder Unimogs anzuschauen. Mit 16 hat er sich den ersten gebrauchten Lanzbulldog zugelegt. Aber weil er als Vollwaise damals unter Vormundschaft stand, musste er den Bulldog auf Weisung seines Vormunds wieder zurückgeben. Als er dann mit 21 volljährig war, hat er so lange Nachforschungen angestellt, bis er genau diesen Bulldog wieder gefunden hatte und erneut kaufen konnte.

"I bin einfach für des geboren. Als Bua scho. G'haut bini wordn, z' Heiligenberg 1954, da bini in d’Schul ganga, da bini auf an Baum aufigstiegen. Da hat's g'hoaßn, da Graf von Schönau kimmt mit am schwaren Unimog zum Baum ausackern, derweil war des a 25er Unimog ..."

(Der am 28. März 2016 verstorbene Leo Speer, in unserer Sendung aus dem Jahr 2008, die seine Begeisterung für Bulldogs und Dieselrösser noch einmal lebendig werden lässt.)

Der Lanz Leo mit seiner Traudl und dem Traktor auf Italienreise

Der Traktor - ein faszinierendes Phänomen

Ulrich Zwack versucht der bayerischen Spielart des Faszinosums Traktor auf die dieselschwadenschweren Schliche zu kommen. Denn faszinierend ist das Phänomen Traktor allemal. So sehr, dass "Traktorist" zu den angesehensten Berufen im ehemaligen Ostblock zählte, ein Bestseller-Roman den Titel "Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch" trägt - und sich weltweit eine schier unüberschaubare Fangemeinde in der Freizeit begeistert der Pflege und vor allem dem eigenhändigen Lenken historischer Traktoren widmet. Auch so mancher bayerische Bauersmann pflegt zu seinem Bulldog nach wie vor ein fast freundschaftliches Verhältnis: Tuckert er ihn auf verschlungenen, aber dafür nichtöffentlichen Feldwegen doch immer wieder treu und zuverlässig von der Dorfwirtschaft bis zum heimischen Hof.

Buchtipp:

Marina Lewycka

Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch (Roman)

  • Autorin: Marina Lewycka
  • Übersetzerin: Elfi Hartenstein
  • Taschenbuch: 368 Seiten
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. November 2008)
  • ISBN-10: 3423211016
  • ISBN-13: 978-3423211017
  • Originaltitel: A Short History of Tractors in Ukrainian

DVD-Tipp:

Der Lanz Leo mit Traudl und Traktor

Lanz Leo - Ein Bulldog-Road-Movie auf Niederbayerisch

  • Regisseur(e): Christoph Schuster, Maike Bandmann, Bernd Fischerauer
  • Format: Dolby, PAL
  • Sprache: Deutsch
  • Region: Alle Regionen
  • Bildseitenformat: 16:9 - 1.77:1
  • Anzahl Disks: 1
  • FSK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung
  • Studio: KNM Home Entertainment GmbH
  • Erscheinungstermin: 18. Mai 2010
  • Produktionsjahr: 2008
  • Spieldauer: 170 Minuten
  • ASIN: B003GZP146

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