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Antibiotika Nur ein Segen, wenn richtig eingesetzt

Antibiotika sind hochwirksame Medikamente, die dazu beigetragen haben, dass viele Infektionen, die früher potentiell tödlich waren, geheilt werden können. Die Kehrseite der Erfolgsgeschichte ist aber, dass sie damit vielerorts als Allheilmittel gesehen und zu häufig eingesetzt werden, was dazu führt, dass resistente Bakterien entstehen und sich verbreiten können.

Von: Johannes von Creytz

Stand: 08.04.2020

Aktivisten des Bündnisses «Meine Landwirtschaft» protestieren verkleidet als Hühner vor dem Bundeskanzleramt in Berlin gegen den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. | Bild: picture-alliance/dpa

Antibiotika sind ausschließlich gegen Bakterien wirksam. Das bedeutet: Bei rund 90 Prozent aller Erkältungskrankheiten können sie nichts ausrichten. Diese werden nämlich hauptsächlich von Viren verursacht. Nur in Ausnahmefällen werden von Viren angegriffene Schleimhäute zusätzlich auch von schädlichen Bakterien besiedelt und geschädigt. Etwa weil die Funktion der Flimmerhärchen an den oberen Schleimhautzellen durch den Virenbefall so eingeschränkt ist, dass schädliche Bakterien nicht mehr raus befördert werden. Hier droht eine sogenannte „Superinfektion“. „Super“ steht in diesem Fall für die lateinische Übersetzung des Wortes „über“. Bakterien siedeln sich auf viralen Entzündungen an. Die Aufgabe von Antibiotika bei Erkältungskrankheiten ist daher meist, Superinfektionen zu behandeln.

Abwägen - wann kann auf Antibiotika verzichtet werden?

Der Einsatz von alternativen Medikamenten, Naturheilmitteln oder das Vertrauen auf körpereigene Selbstheilungskräfte ist nicht nur eine Frage der Infektionsursache. Ein Verzicht auf Antibiotika sollte, genauso wie der Einsatz, immer mit Arzt oder Ärztin besprochen werden. Das Für und Wider von Antibiotika ist ein Abwägen zwischen einer ganzen Reihe von Faktoren.

"In vielen Fällen kann man die Wirkung der Selbstheilungskräfte abwarten und nur symptomatisch therapieren. Also durch Bettruhe, durch Anwendung von Wärme, reichlich Flüssigkeit und solchen Dingen. Wenn aber eine schwere Infektion vorliegt, hilft das Antibiotikum sicherlich, die Krankheit schneller und vielleicht auch mit weniger Spätfolgen zu überwinden."

Dr. med. Béatrice Grabein, Leiterin der Abteilung Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Klinikum der LMU München.

Schnelltests gegen unnötige Verschreibungen

Im Zweifel können Arztpraxen testen, ob eher eine Virusinfektion oder eine bakterielle Infektion vorliegt. Schnelltests für den quantitativen Nachweis des C-reaktiven Proteins (CRP), wie sie zum Beispiel in Holland vorgeschrieben sind, bevor Ärzte dort ein Antibiotikum verschreiben dürfen, werden in Deutschland aber nicht von den Kassen bezahlt. Die hierzulande angewandten Tests machen zwar dieselbe Aussage, sie werden aber in einem Labor durchgeführt. Es kann daher ein bis zwei Tage dauern, bis das Ergebnis vorliegt. Deshalb werden Rezepte für Antibiotika hierzulande in der Regel auf Verdacht ausgestellt. Entweder, weil bei der Schwere der Erkrankung nicht auf das Laborergebnis gewartet werden kann, oder bei leichteren Infektionen, damit Patienten sich nach Bekanntwerden den erneuten Weg in die Praxis sparen, und direkt zur Apotheke gehen können. Experten empfehlen, das holländische System zu übernehmen, weil es ihrer Meinung nach zu weniger Antibiotikaverschreibungen beitragen kann.

"Ich fände es gut, wenn das eine Kassenleistung wäre, weil es die Entscheidung in der niedergelassenen Praxis, die ja oft sehr schnell erfolgen muss, für den Arzt und für den Patienten objektivierbar macht. Insofern ist das holländische Vorgehen ein vernünftiges, weil man in vielen Situationen sagen kann: Hier muss man sich keine Sorgen machen, dass es eine bakterielle Infektion ist, weil Testergebnis und Krankheitszeichen des Patienten dagegensprechen."

Dr. med. Béatrice Grabein, Leiterin der Abteilung Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Klinikum der LMU München

Test mit dem Mikroskop ist ungeeignet

Eine Untersuchung mit dem Mikroskop, das ja in jeder Hausarztpraxis vorhanden ist, hilft bei der Bestimmung entzündungsauslösender Bakterien nicht. Erstens ähneln sich verschiedene Erreger viel zu sehr und außerdem bedeutet ein bloßes Vorhandensein nicht, dass sie auch Auslöser der Erkrankung sind.

"Wir haben ja ein üppiges Mikrobiom, von dem wir besiedelt sind. Und diese Bakterien stellen sich im Mikroskop alle dar. Wenn ich jetzt bei einem Patienten, der eine Mandelentzündung hat, einen Rachen-Abstrich mache und lege den unter das Mikroskop, dann sehe ich da ganz viele Bakterien. Aber ich kann nicht erkennen, welches von denen jetzt die eitrige Angina verursacht hat. Es gibt aber zum Beispiel bei der eitrigen Angina Schelltests für die Praxis, die nachweisen können ob es sich bei den Erregern um A-Streptokokken handelt oder nicht."

Dr. med. Béatrice Grabein, Leiterin der Abteilung Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Klinikum der LMU München


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