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Kanzler-Macher, Bundespräsident, Sänger Ein Rückblick

Er war maßgeblich daran beteiligt, dass es 1969 zu einer sozialliberalen Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt kam. Von 1974 bis 1979 war der FDP-Politiker Walter Scheel Bundespräsident. So richtig populär wurde er aber mit einem Volkslied. Nun ist er im Alter von 97 Jahren gestorben.

Von: Ernst Eisenbichler

Stand: 24.08.2016

  • 1919
    Walter Scheel als Kind auf dem Arm seiner Mutter (undatierte Aufnahme) | Bild: picture-alliance/dpa

    Walter Scheel auf dem Arm seiner Mutter (undatierte Aufnahme)

    1919

    Sohn eines Stellmachers

    Walter Scheel kommt am 8. Juli 1919 als Sohn eines evangelischen Stellmachers in Höhscheid zur Welt, das heute ein Ortsteil des nordrhein-westfälischen Solingen ist. Dort macht er sein Abitur und absolviert von 1938 bis 1939 eine Banklehre.

  • 1939
    Walter Scheel als Luftwaffenoffizier (undatierte Aufnahme) | Bild: picture-alliance/dpa

    Walter Scheel als Luftwaffenoffizier (undatierte Aufnahme)

    1939

    Luftwaffenoffizier

    Von 3. September 1939 bis 1945 leistet Walter Scheel Kriegsdienst, unter anderem in Frankreich und Russland, zuletzt als Luftwaffenoffizier. Er erhält das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse. Tritt er auch der NSDAP bei? Der "Spiegel" berichtet 1978, Scheel sei 1942 seine NSDAP-Mitgliedschaft mitgeteilt worden, obwohl er keinen Antrag gestellt habe. Scheel hat bestritten, bei der Partei gewesen zu sein.

  • 1953
    Walter Scheel als junger Mann (undatierte Aufnahme) | Bild: picture-alliance/dpa

    Scheel als junger Mann (undatierte Aufnahme)

    1953

    Ab in die Wirtschaft

    Nach dem Krieg arbeitet Scheel zunächst in der Stahlwarenfabrik des Vaters seiner ersten Ehefrau Eva. 1953 wird er selbstständiger Wirtschaftsberater in Düsseldorf, 1958 Geschäftsführer der von ihm mitgegründeten "Interfinanz GmbH".

  • 1956
    FDP-Vorstandssitzung am 27. März 1958: Walter Scheel, Oswald Kohut, Werner Stephan, Reinhold Maier, Erich Mende (v.l.n.r.) | Bild: picture-alliance/dpa

    FDP-Vorstand 1958: Scheel, Oswald Kohut, Werner Stephan, Reinhold Maier, Erich Mende (v.l.n.r.)

    1956

    Steile FDP-Karriere

    Seine politische Karriere begann Scheel 1946 mit dem Eintritt in die FDP. 1950 bis 1953 gehört er dem Landtag von Nordrhein-Westfalen an. 1953 wird er erstmals in den Bundestag gewählt. Ein Jahr später wird er Mitglied des FDP-Landesvorstandes in Nordrhein-Westfalen, ab 1956 zusätzlich Mitglied des FDP-Bundesvorstandes. In dieser Zeit rebelliert er als Mitglied der liberalen "Jungtürken" gegen die CDU-Herrschaft in Bund und Land - und gehört damit zu denen, die 1956 den Koalitionswechsel der FDP in Nordrhein-Westfalen von der CDU zur SPD einleiten.

  • 1963
    1963: Walter Scheel als Minister beim Kamelreiten in Ägypten | Bild: picture-alliance/dpa

    Hoch auf dem gelben Kamel: 1963 als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Ägypten

    1963

    Minister unter Adenauer

    Unter Bundeskanzler Konrad Adenauer wird Scheel 1961 zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt. Anlässlich der "Spiegel"-Affäre tritt er im November 1962 aus Protest zurück. Als Franz Josef Strauß dann dem neuen Kabinett nicht mehr angehört, kehrt Scheel ins Ministeramt zurück. Im Oktober 1966 tritt er erneut zurück - diesmal unter Kanzler Ludwig Erhard wegen eines Streits über den Bundeshaushalt

  • 1966
    Walter und Eva Scheel (undatierte Aufnahme) | Bild: picture-alliance/dpa

    Scheel mit seiner ersten Frau Eva Charlotte geb. Kronenberg (undatierte Aufnahme)

    1966

    Tod der ersten Ehefrau

    Nach 24-jähriger Ehe stirbt im September 1966 Scheels erste Frau Eva Charlotte im Alter von 46 Jahren. Aus dieser Ehe ging Sohn Ulrich hervor.

  • 1968
    30. Januar 1968: Erich Mende (links) und Walter Scheel | Bild: picture-alliance/dpa

    Der alte und der neue FDP-Bundesvorsitzende: Erich Mende (links) und Walter Scheel

    1968

    FDP-Chef

    1968 wird Scheel auf dem 19. Bundesparteitag der FDP in Freiburg mit großer Mehrheit als Nachfolger von Erich Mende zum Parteivorsitzenden gewählt.

  • 1969
    Walter Scheel und Willy Brandt (Archivbild von 1968) | Bild: picture-alliance/dpa

    Walter Scheel und Willy Brandt

    1969

    Sozialliberaler Wechsel

    1966, als Union und SPD eine große Koalition bildeten, ging die FDP in die Opposition. Während dieser Zeit bereiteten die Liberalen einen Kurswechsel in Richtung SPD vor. Bei der Bundestagswahl im Herbst 1969 ist es dann so weit: SPD und FDP erhalten gemeinsam die Mehrheit. Es kommt zur ersten sozialliberalen Regierungskoalition auf Bundesebene. Die SPD stellt mit Willy Brandt den Kanzler, Scheel wird sein Stellvertreter und Bundesaußenminister. Er ist damit maßgeblich beteiligt an einer historischen Zäsur der Bundesrepublik: Erstmals kommt der Kanzler nicht aus den Reihen der CDU.

  • 1970
    Walter Scheel 1972 an der Chinesischen Mauer | Bild: picture-alliance/dpa

    Außenminister Scheel 1972 an der Chinesischen Mauer

    1970

    Entspannungspolitik

    Brandt und Scheel initiieren eine neue Entspannungspolitik. So besucht Scheel 1970 als erster deutscher Außenminister Israel, mit dem Bonn erst 1965 diplomatische Beziehungen aufgenommen hat. Auch in der Ostpolitik setzt die sozialliberale Regierung Akzente in Richtung Öffnung. Das stößt nicht nur auf scharfe Kritik bei den Unionsparteien, sondern auch in den eigenen Reihen. Es kommt zu so vielen Fraktionsaustritten bei SPD und FDP, dass die Regierungskoalition die Mehrheit im Bundestag verliert.

  • 1972
    19. November 1972: Willy Brandt und Walter Scheel | Bild: picture-alliance/dpa

    Brandt und Scheel am Abend des Wahlsieges im November 1972

    1972

    Bestätigtes Gespann

    In der Folge entzieht der Bundestag im September 1972 dem Bundeskanzler das Vertrauen. Der Weg für Neuwahlen ist frei. Doch diesmal wird die SPD sogar stärkste Fraktion. Der Wähler bestätigt die sozialliberale Politik von Brandt und Scheel.

  • 1973
    Walter Scheel im Tonstudio | Bild: picture-alliance/dpa

    Scheel im Tonstudio

    1973

    Singen für den guten Zweck

    Nebenbei engagiert sich Scheel auch sozial. So singt er Ende 1973 "Hoch auf dem gelben Wagen" in der TV-Sendung "Drei mal neun". Ein deutscher Außenminister, der es in die Hitparade schafft: Das Volkslied verkauft sich auf Schallplatte bis zum Frühjahr 1974 über 300.000 Mal. Der Erlös geht an die Behindertenhilfsorganisation, die damals noch "Aktion Sorgenkind" heißt.

  • 1974
    15. Mai 1974: Walter Scheel, von der Bundesversammlung zum neuen Bundespräsident gewählt | Bild: picture-alliance/dpa

    Der neue Bundespräsident Scheel hält eine Rede vor der Bundesversammlung.

    1974

    Bundespräsident

    Misstöne allerdings ein halbes Jahr später auf Regierungsebene: Im Zuge der Guillaume-Affäre tritt Brandt als Kanzler zurück. Scheel scheidet aus dem Bundeskabinett aus. Am 15. Mai 1974 wird er mit 530 Stimmen von SPD und FDP in der Bundesversammlung zum vierten Bundespräsidenten gewählt. Der unterlegene Kandidat Richard von Weizsäcker (CDU) erhält 498 Stimmen.

  • 1975
    Walter Scheel nach seinem Besuch der Zeche "Erin" in Castrop-Rauxel | Bild: picture-alliance/dpa

    März 1975: Scheel nach seinem Besuch der Zeche "Erin" in Castrop-Rauxel

    1975

    Kein Visionär

    Als Bundespräsident setzt Scheel Zeichen durch Streben nach Ausgleich oder Eintreten für mehr soziale Mitwirkungsrechte der Bürger. Allerdings werfen ihm Kritiker vor, keinen großen gesellschaftspolitischen Entwurf zu liefern.

  • 1978
    22. Mai 1978: Queen Elizabeth II. und Walter Scheel | Bild: picture-alliance/dpa

    22. Mai 1978: Queen Elizabeth II. auf Staatsbesuch in Bonn

    1978

    Queen bei Scheel

    Dafür versteht es Scheel, im Gegensatz zu seinen eher nüchternen Vorgängern dem Präsidentenamt neuen Glanz zu verleihen. So empfängt er 1978 die englische Königin Elizabeth II. Allerdings findet Scheels opulenterer Stil nicht überall ungeteilte Zustimmung.

  • 1979
    Walter Scheel als Teilnehmer der Internationalen Deutschen Golfmeisterschaften in Frankfurt am Main 1979 | Bild: picture-alliance/dpa

    Scheel bei den Internationalen Deutschen Golfmeisterschaften 1979 in Frankfurt am Main

    1979

    Abschied vom Amt

    Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung stellt sich Scheel für die Wahl des Bundespräsidenten 1979 nicht mehr zur Verfügung. Am 30. Juni 1979 scheidet er aus dem Amt. Seitdem ist er Pensionär. Nach seiner Amtszeit engagiert er sich in zahlreichen Ehrenämtern und Gremien.

  • 1985
    Mildred Scheel (1983) | Bild: picture-alliance/dpa

    Mildred Scheel, Präsidentin der "Deutschen Krebshilfe e. V.", 1983 in ihrem Büro in Köln

    1985

    Tod der zweiten Ehefrau

    Im Mai 1985 stirbt Scheels zweite Ehefrau Mildred, mit der er seit 1969 verheiratet war, im Alter von 52 Jahren. Die Ärztin war die Gründerin der "Deutschen Krebshilfe e.V." und als solche eine der bekanntesten deutschen Frauen der Nachkriegszeit. Aus der Ehe von Walter und Mildred Scheel ging 1970 die Tochter Andrea-Gwendoline hervor. 1971 adoptierte das Paar Simon Martin aus Bolivien. Die Tochter Cornelia Scheel hatte Mildred Scheel mit in die Ehe gebracht.

  • 1988
    Walter und Barbara Scheel bei den Bayreuther Festspielen 2003 | Bild: picture-alliance/dpa

    Walter und Barbara Scheel bei den Bayreuther Festspielen 2003

    1988

    Dritte Ehe

    1988 heiratet Scheel Barbara Wiese. Das Ehepaar lebt von 2001 bis 2008 in Berlin und zieht 2009 nach Bad Krozingen in der Nähe von Freiburg im Breisgau.

  • 2004
    Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher (2004) | Bild: picture-alliance/dpa

    Juli 2004: Hans-Dietrich Genscher als Gast bei Scheels Feier zu dessen 85. Geburtstag

    2004

    Zwei FDP-Urgesteine

    FDP-Grande Hans-Dietrich Genscher 2004 beim FDP-Granden Walter Scheel - Genscher hatte 1974 nach Scheels Rückzug aus dem Bundeskabinett dessen Ämter als Parteichef, Außenminister und Vizekanzler übernommen. 1982 vollzog Genscher die Wende von der Wende Scheels: Die FDP bewegte sich wieder in Richtung Union und bildete mit ihr eine Regierungskoalition unter Kanzler Helmut Kohl.

  • 2012
    8. Juli 2013: Walter Scheel an seinem 94. Geburtstag | Bild: picture-alliance/dpa

    Scheel an seinem 94. Geburtstag auf dem Weg zu einem Empfang in Bad Krozingen

    2012

    Zuletzt in Pflege

    Seit 2012 lebt Scheel aufgrund einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim in Bad Krozingen bei Freiburg im Breisgau. Am 24. August 2016 stirbt er im Alter von 97 Jahren.


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