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Tag drei der Polen-Reise Papst besucht Auschwitz-Birkenau

Papst Franziskus wird am dritten Tag seiner Polen-Reise das ehemalige deutsche Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besuchen. Dort will er in der Todeszelle des Franziskanermönchs Maximilian Kolbe beten und Holocaust-Überlebende treffen.

Von: Karin Wendlinger

Stand: 29.07.2016

Pope Francis visits former Nazi German concentration and extermination camp Auschwitz-Birkenau in Oswiecim | Bild: Reuters (RNSP)

Franziskus hat sich entschieden: Im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz Birkenau will er keine Ansprache halten. Er will schweigend beten. Diese Form der Kommunikation ist nicht neu, aber überaus wirkungsvoll. Und dennoch bleibt Franziskus authentisch, betont Manfred Deselaers vom Zentrum für Dialog und Gebet in Auschwitz. Es gebe eben zwei Arten des Schweigens.

"Stille ist nicht Stille, sie kann leer sein, aber eben auch gefüllt und die Stille, für die sich Franziskus entschieden hat, hat ein offenes Herz. Damit würdigt er das Leid, das hier an diesem schrecklichen Ort passiert ist."

Manfred Deselaers, Zentrum für Dialog und Gebet Auschwitz

Lobende Worte für schweigenden Papst

Während seiner fünftägigen Reise in Polen dürfte Auschwitz-Birkenau der wohl schwerste Gang sein. Franziskus wird vom Eingangstor, durch das die Todeszüge bis zur Rampe fuhren, und zu den Ruinen der Gaskammern von seinem argentinischen Freund, Rabbiner Abraham Skorka, und Polens orthodoxem Oberrabbiner, Michael Schudrich begleitet. Der findet im Vorfeld nur lobende Worte für einen schweigenden Papst.

"Viele Menschen, die in Auschwitz, die in Birkenau sind, sagen dort etwas und schweigen. Ich glaube tief daran, dass Papst Franziskus uns das Gegenteil lehren will: Wenn wir dort, an diesem grausamen Ort sind, dann müssen wir schweigen. Aber wenn wir wieder außerhalb von Auschwitz-Birkenau sind, dann müssen wir schreien, dann müssen wir gegen das ganze Unrecht kämpfen, das es in unserer Welt gibt. Das wird uns ein Vorbild sein."

Michael Schudrich, Polens orthodoxem Oberrabbiner

Vorgänger aus Land der Opfer und der Täter

Dass gut 70 Jahre nach Auschwitz, wo über eine Million Menschen ermordet und vergast wurden, Juden und Christen gemeinsam die Wunde Europas aufsuchen, ist auch ein Verdienst von Johannes Paul II. Als erster Pontifex besuchte der einstige Erzbischof von Krakau die Gedenkstätte im Juni 1979. Damals sagte er: "Ich komme heute hierher als Pilger. Ich war so oft an diesem Ort, bin in der Todeszelle von Maximilian Kolbe gewesen, habe die zerstörten Krematorien in Birkenau durchschritten." Als Papst habe er es gar nicht anders gekonnt, als hier her zu kommen. Während der polnische Papst aus dem Land der Opfer in die Gedenkstätte kam, stammt sein Nachfolger Benedikt XVI. aus dem Land der Täter. Franziskus hingegen ist der erste Nichteuropäer. Michael Schudrich interpretiert das als eine Chance. Auschwitz ist nicht nur Erinnerung, Auschwitz ist eine Mahnung und eine Zeitansage.

"Das erste Mal seit vielleicht 2000 Jahren gibt es mehr Christen als Juden, deren Leben wegen ihrer Religionszugehörigkeit bedroht wird. Das Schweigen des Papstes lehrt mich als Rabbiner, dass ich außerhalb von Birkenau gegen das Unrecht in der Welt anschreien muss. Nicht nur gegen die Tragödien meines Volkes, sondern auch gegen die Gefährdungen der anderen."

Michael Schudrich, Polens orthodoxem Oberrabbiner


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