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Fan-Opportunisten Und plötzlich alle so: Handball!

Die Handball Nationalmannschaft ist Europameister – und plötzlich sind alle Handball-Fans. Wie immer, wenn deutsche Sportler in irgendeiner Disziplin Erfolg haben. Doch die Begeisterung bleibt nicht lange.

Von: Katharina Kestler

Stand: 02.02.2016 | Archiv

Trendkurve mit Basketball, Fußball und Skispringen | Bild: BR

Vor drei Wochen die meisten noch so: "Handball? Ach wirklich, Europameisterschaft? Ne, du lass mal…" Jetzt: Wintermärchen! Bad Boys Rule! SCHLAND! Ganz Deutschland feiert sich selbst als Handball-Europameister. Das kennt man doch irgendwo her: Skispringen seit Martin Schmitt, Tennis seit Sabine Lisicki und natürlich auch vom Klassiker Fußball, sagt BR-Sportreporter Jan Wiecken:

"Das beste Beispiel sind doch die Menschen, die sagen: Ich interessiere mich nicht für Fußball – außer wenn die Nationalmannschaft spielt. Die gewinnen meistens, dann gibt’s was zu feiern und zu trinken. Grad lustig ist es mit den Jungs. Da ist man natürlich auch als nicht so aufgeklärter Fußball-Fan gern dabei."

(BR-Reporter Jan Wiecken im PULS Interview)

Dabei geht’s dann nicht um Sport, sondern um Party. Wie spannend, progressiv oder ästhetisch ein Spiel oder eine Sportart ist: völlig schnuppe. Okay, die Handball EM-Spiele waren wirklich spannend, die junge Mannschaft hat mit ihrem – verdienten – Erfolg überrascht und in Deutschland gibt es traditionell eine Menge WIRKLICH interessierter Handball-Fans. Doch sicherlich die Hälfte der über zwölf Millionen, die vor den Empfangsgeräten saßen, sind Event-Fans und wissen nicht, wie das Finale der Weltmeisterschaft 2007 ausging.

Na und? Ist doch nicht so schlimm...

Stimmt. Aber aus Party-Fans werden in den seltensten Fällen echte Fans und wenn der Erfolg vorbei ist, packen sie ihre schwarz-rot-goldenen Fähnchen samt ihres Gelegenheits-Patriotismus wieder ein und rollen sie beim nächsten Sieger aus. Dieser Fan-Opportunismus zeugt nicht wirklich von Charakter. Oder hört ihr die Nummer 1 der Single Charts nur weil sie auf Platz 1 steht? Schlimmer aber: Wenn die Party vorbei ist, gehen mit den Fans meistens auch die Medien, die Sponsoren und schlussendlich die Fördergelder ein Stadion weiter. Beispiele gibt’s genug: Basketball, als nach der Europameisterschaft 1993 kein Erfolg mehr nachkam, die Curler seit Mitte der 00er Jahre oder die Eisschnelläufer seit Anni Friesinger abgetreten ist.

Erfolg wird belohnt, Misserfolg bestraft - so ist das eben.

Muss wirklich erst deutscher Erfolg da sein, damit ein Sport gefeiert und folglich auch gefördert wird? Oder muss man eine Sportart nicht erst fördern, damit Erfolg kommt? Beispiel: Snowboard Slopestyle. Die Disziplin hat bei den Olympischen Spielen weltweit die höchsten Einschaltquoten – in Deutschland geht Slopestyle trotzdem immer noch unter. Denn während es die Schweizer schaffen, sowohl gute Alpin Skifahrer als auch gute Freestyle Athleten zu fördern, liegt in Deutschland der Fokus immer noch vor allem darauf, den nächsten Felix Neureuther zu finden.

"Die Deutschen brauchen immer Helden, an denen sie sich hochziehen. Wenn wir beim Slopestyle oder in der Halfpipe nur einen hätten, der so gut ist... Es hilft ungemein wenn ein Deutscher durchs Bild  fliegt. Wenn zum Beispiel Lisa Zimmermann Olympiagold geholt hätte, würden die Slopestyler ganz wo anders stehen, als sie es jetzt tun."

(BR-Reporter Jan Wiecken im PULS Interview)

Und damit zurück zum Handball – denn irgendwie macht das alles doch auch Hoffnung. Hoffnung, dass trotz nicht ganz so idealer Trainingszustände, völlig überraschend ein Slopestyle-Naturtalent durch die sprichwörtliche Decke geht. Es ganz allein durchzieht – wie Basketball Superstar Dirk Nowitzki, den hier auch keiner auf dem Zettel hatte – am Ende Gold abstaubt und dann von Zehntausenden Fans in Berlin empfangen wird. Naja, das ist recht unwahrscheinlich. Aber träumen darf man ja...


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Brombeere, Dienstag, 09.Februar 2016, 17:07 Uhr

2. Seh ich anders

Ich weiß jeder hat seine eigene Meinung allerdings kann ich mich mit diesem Bericht nicht anfreunden. Natürlich gibt es einige Menschen die nur zu solchen Großereignissen anfangen sich für einen Sport zu intressieren. Ich muss zugeben im Falle des Handball "Wunders" gehöre ich ebfalls zu jenen. Doch geht es doch den wenigsten um die Party, die mit solchen Event einhergehen. Es geht doch viel mehr drum das eigene Land mit Solz und Leidenschaft zu unterstützen. Würde es um Bier und Grillen gehen, könnte doch ein jeder die Samstags Konferenz im Fussball mit Freunden anschaun. Nein nur jene die Fussball mögen machen das und nicht die unintressierten. Wenn ich einen Sport mag sehe ich mir in gerne an und dann ist es auch nicht nötig das es um viel geht oder Deutschland spielt oder Deutschland erfolgreich ist. Ich liebe Tennis und bin oft genervt weil Deutsche Spieler in der TV Ausstrahlung vorgezogen werden, während auf dem Nebenplatz Top 10 Spieler in einem 3 o. 5 Satz Krimi stecken.

Michael Sandner, Mittwoch, 03.Februar 2016, 08:55 Uhr

1. Deutschland braucht Erfolge, nur nicht im Dartsport

Und plötzlich in Deutschland einig Handball und Tennis. Erfolge sind wichtig für die Menschen, man kann sich wie einer der Sieger fühlen. Deutschland braucht Helden. Nur im Dartsport herrscht derzeit verkehrte Welt. Da wird seit Jahren der Sport gefeiert. Da feuern englische und sogar holländische Fans einen bisher unbekannten Deutschen, der sich "The Cube" nennt an, weil er ein unglaubliches Spiel gegen den Weltranglistenersten abliefert. Auf der Dartsbühne geht es nicht so sehr um die Erfolge des "eigenen" Teams, hier geht es um die Helden der Branche. Mag sein, dass sich das in Deutschland ändert, wenn der erste Deutsche ganz oben in der Weltspitze mitspielt. Die Jugend tut es schon, hat amtierende Europameister und Weltmeister und zahlreiche Vizetitel ergattert, nur interessiert das noch kaum jemanden.Aber solange noch der Sport und vor allen die Präzision gefeiert wird fast unabhängig von den Protagonisten, gewinnt der Sport und nicht ein einzelnes Land. Dart On! ms