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Sperrstunden in Bayern We say party! They say Sperrstunde!

Erst Passau, dann Bamberg, jetzt Deggendorf: Immer mehr bayerische Städte führen wieder die Sperrzeit ein. Der Grund: Lärm, Alkohol, Schlägereien. Doch statt Probleme zu lösen, bedroht die Sperrstunde Nachtleben und Jugendkultur.

Von: Johannes Dobroschke

Stand: 02.08.2011 | Archiv

Aufmachergrafik zum Schwerpunktthema "We say party, you say Sperrstunde" (Wiedereinführung der Sperrzeiten) | Bild: dpa/picture-alliance; Montage: BR

Es gab viele lange und hitzige Stadtratssitzungen, aber am Ende stand der Entschluss fest: Deggendorf bekommt eine Sperrzeit. Seit Anfang Mai heißt es um kurz vor 2.00 Uhr: Letzte Runde, bitte! Ausnahmen für bestimmte Clubs gibt es derzeit nicht. Die Studentenstadt Deggendorf ist damit nur das letzte Beispiel einer Reihe von Gemeinden, die auf die Probleme, die ein vielseitiges Nachtleben mit sich bringt, mit einer Sperrstunden-Regelung reagieren.

Befeuert wurde die Diskussion um Sperrstunden im Herbst 2010 durch die Veröffentlichung einer Polizeistatistik. Laut dieser Statistik war die Zahl der Straftaten, die von alkoholisierten Jugendlichen begangen wurden, in Bayern deutlich angestiegen. Angeblich, weil junge Menschen immer später und immer länger in Clubs und Kneipen gehen. Die vermeintliche Lösung: eine Sperrstunde.

Das Comeback der Sperrstunde

Erst 2005 wurde die flächendeckende Sperrstunde in Bayern abgeschafft, seitdem gibt es lediglich eine Putzstunde zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr. Es steht aber jeder bayerischen Gemeinde nach dem Gaststättengesetz frei, im Stadtgebiet oder in Teilen davon wieder eine Sperrstunde einzuführen, wenn es nachts Lärm und Randale in den Straßen gibt. Als Begründung reichen Polizeiberichte oder gehäufte Anwohnerbeschwerden.

Erstaunlich viele Gemeinden machen von diesem Recht Gebrauch - und es werden mehr. Vor allem in den Innenstädten ist die Nacht oft früh vorbei, neben Deggendorf etwa in Regensburg, Passau und Bamberg.

Karte - Sperrstunde in Bayern | Bild: Bing Maps zur interaktiven Anwendung Interaktive Karte Bayern, einig Sperrzeit-Land?

Einige Städte haben sie, andere nicht: In Sachen Sperrzeit herrscht ein heilloses Durcheinander in Bayern. Wir lichten den Dschungel und zeigen euch, wo ihr noch uneingeschränkt feiern könnt - und wo nicht. [mehr]

Seit die Statistik erschienen ist, häufen sich außerdem die Forderungen nach einer bayernweiten Sperrstunde. Die Polizei will sie, der Städtetag will sie und auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann steht dahinter.

Eine Sperrstunde als Waffe gegen die Wurzeln des Übels, gegen Vorglühen, Komasaufen und umgekippte Mülltonnen. Bringt nichts, meinen zumindest Wirte, Clubbetreiber und Jugendorganisationen. Sie wünschen sich stattdessen Aufklärung und Projekte gegen Gewalt und Alkohol, von Verboten wie Sperrzeiten halten sie nichts. Vielmehr befürchten sie, dass in manchen Regionen wieder ein Partytourismus entsteht und viele Jugendliche nachts betrunken mit dem Auto zur Großraumdisko an der Autobahn fahren, wenn in der Innenstadt Schluss ist.

Sperrstunde vs. Nachtkultur

Eine Gefahr ist die Sperrstunde auch für die Nachtkultur in Bayern, sagen die Kritiker. Für einen Clubbetreiber lohnt es sich nicht, seinen Laden nur für zwei oder drei Stunden aufzusperren, richtig gute nationale und internationale Acts lassen sich mit einer Sperrstunde auch nicht locken.

Im schlimmsten Fall müssen Clubs und Diskos schließen. Das Gloria Kulturtheater in Regensburg etwa steht kurz vor dem Aus, weil die Stadt dem Betreiber keine Ausnahme von der Sperrzeit mehr gewährt. Licht an um 2.00 Uhr bedeutet: Lichter aus fürs Gloria.

Gegen das drohende Sterben des Nachtlebens und damit eines wichtigen Teils der Jugendkultur protestieren bayernweit Jugendorganisationen, Wirte, Studenten und Nachtschwärmer. Sie gründen Facebook-Gruppen, reichen Unterschriftenlisten ein und organisieren Flashmobs oder Diskussionsrunden – oft ohne Erfolg.

Dabei gibt es Alternativen und kreative Lösungsideen: In Würzburg ist es das "Safer Party"-Projekt, das Störenfriede mit zwei Jahren Hausverbot bestraft. Und in Augsburg arbeitet der Popbeauftragte zusammen mit dem Stadtjugendrat gerade an einem Programm, das die Stadt gleichzeitig ruhiger und kulturell interessanter machen soll.

Bayern, einig Sperrzeit-Land?

Einige Städte haben sie, andere nicht: In Sachen Sperrzeit herrscht ein heilloses Durcheinander in Bayern. Wir lichten den Dschungel und zeigen euch, wo ihr noch uneingeschränkt feiern könnt - und wo nicht.


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