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Private Studentenwohnheime Willkommen in der Edel-Bruchbude

Der Wohnungsmarkt für Studenten ist so angespannt wie noch nie. Private Wohnheime locken mit komfortablen All Inclusive Angeboten. Aber manches vermeintliche Luxusapartment entpuppt sich dann als teure Bruchbude.

Von: Sonja Salzburger

Stand: 12.10.2015 | Archiv

Hand mit Geld und Hand mit Mini-Wohnung | Bild: BR

Wenn Stephan die Tür seines kleinen Badezimmers beim Duschen offen lässt, darf er das Wasser nicht allzu heiß aufdrehen. Mit dem Wasserdampf hat er schon mal einen Feueralarm ausgelöst. Bald geht das neue Semester los, dann rechnet der BWL-Student wieder mit drei bis vier Fehlalarmen pro Woche, weil neue, unerfahrene Nachbarn glauben, sie könnten sich auf ihrem Cerankochfeld ein Spiegelei  braten oder abends eine Kerze anzünden. "Die Rauchmelder sind viel zu sensibel eingestellt", sagt der 24-Jährige. "Viele von uns haben die Dinger deshalb abgeklebt oder abmontiert."

All Inclusive mit Fitnessstudio, Café und Learning Lounge

Seit etwa drei Jahren wohnt Stephan in einem Münchner Studentenwohnheim, das von der Youniq AG betrieben wird, dem größten Anbieter für privates studentisches Wohnen in Deutschland.  Youniq-Apartments gibt es mittlerweile in neun Unistädten, zum Beispiel in München, Frankfurt, Karlsruhe oder Bayreuth.  Im Netz werden die Wohnheime als "hochwertig möbliert" angepriesen, mit Café, Fitnessstudio und großzügigen Learning Lounges. Luxuriös sind in Stephans Wohnheim allerdings nur die Mietpreise von mehr als 20 Euro pro Quadratmeter. Für das möblierte 28-Quadratmeter-Apartment ihres Sohnes zahlen Stephans Eltern monatlich 696 Euro Miete. In dem Preis sind zwar Internet und Heizkosten enthalten, trotzdem ist der Betrag auch für München ziemlich happig.

Das Geschäft mit privaten Studentenwohnungen boomt

In diesem Wintersemester dürfte es für viele Studenten schwer werden, überhaupt eine Wohnung zu finden. Laut einer aktuellen Studie des Immobilienentwicklers GBI ist die Wohnungssuche in 39 von 87 Universitätsstädten mit mehr als 5000 Studenten problematisch. München, Frankfurt und Hamburg gelten in Sachen Mietmarkt für Studenten schon seit Jahren als Horrorstädte – und daran wird sich so schnell nichts ändern. Investoren haben in diesem Dilemma eine Marktlücke entdeckt. Das Geschäft mit privaten Studentenwohnungen boomt. Und wenn man ein paar zusätzliche Extras anbietet, lassen sich mit Studentenwohnungen überdurchschnittlich hohe Mieteinnahmen erzielen. Youniq zum Beispiel wirbt mit Karriereberatungen und einem Scout, der stets ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Mieter haben soll. Das dürfte besonders Eltern minderjähriger Abiturienten gefallen, die gerne ein bisschen mehr zahlen, damit ihr kostbarer Nachwuchs gut versorgt ist.

Außen hui: Stephans Wohnheim.

Leider scheint die Realität wenig mit den Hochglanzfotos im Netz gemein zu haben. 2013 erschien auf Zeit Online ein Artikel, in dem die Autorin Youniq als "Studentenbude deluxe" bezeichnete. Prompt hagelte es wütende Kommentare von Bewohnern aus Frankfurt und Karlsruhe, die sich über eine schlechte Verwaltung und etliche bauliche Mängel beschwerten.

Wohnen auf der Großbaustelle

Anlegerschützer haben die Youniq AG in diesem Jahr auf Platz 3 der größten Kapitalvernichter Deutschlands gewählt. Innerhalb von fünf Jahren bescherte sie ihren Anlegern laut Handelsblatt fast einen Totalverlust. Bei einer Leerstandsquote von nahezu null Prozent erscheint diese Misere zunächst bizarr. Schuld sind nach Ansicht von Börsenexperten die aus dem Ruder gelaufenen Baukosten. Viele Wohnheime mussten komplett nachgerüstet werden.

Auch Stephan lebte wenige Monate nach seinem Einzug auf einer Großbaustelle. Der Balkonbelag musste mehrmals erneuert werden. Unter einem Höllenlärm wurden nachträglich Regenrinnen in den Beton geschlagen.  In seinem ersten Sommer in München konnte Stephan wochenlang nicht aus dem Fenster schauen,  weil alles mit einer schwarzen Plane verhangen war. Ein Nachbar hatte bereits einen Rohrbruch. Im Winter fällt regelmäßig das warme Wasser aus. Der Gruppenraum ist seit Monaten wegen Schimmel gesperrt.  In dem Café des Wohnheims gibt es bis heute keinen Kaffee, weil der Wasseranschluss vergessen wurde. Und die Eingangstür ist seit Wochen kaputt, Pakete werden geklaut. Youniq will zu all dem kein Statement abgeben.

Ausziehen oder weiter hoffen

Stephan hat schon oft daran gedacht, auszuziehen. "Aber in München findet man nicht so leicht eine Wohnung", sagt der 24-Jährige. "Und irgendwie hat man ja auch die Hoffnung, dass die ganzen Reparaturen und Sachmängel irgendwann behoben sind." Die meisten Mieter, mit denen Stephan vor drei Jahren den Neubau an der Schleißheimer Straße bezogen hat, waren weniger optimistisch und haben das Wohnheim mittlerweile verlassen. "Ich verstehe nicht, warum Stephan immer noch dort wohnt", sagt die 23-jährige Julia Suessbauer, die sich nur ungern an ihre Zeit in dem Wohnheim erinnert. Seine neuen Nachbarn bleiben selten länger als ein Jahr, sagt Stephan. Die Youniq AG scheint das nicht zu stören. Im Gegenteil: Sie verkauft die hohe Mieterfluktuation ihren Investoren als Vorteil. Auf der Website des Unternehmens heißt es: "Kurze Mietzeiten erlauben eine ständige Anpassung an das Marktniveau bei Neuvermietung." Zumindest die Neuvermietung klappt ausgezeichnet. Zum Semesterstart ist in dem Münchner Wohnheim kein Zimmer mehr frei.


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