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Bataclan-Überlebender vor Rückkehr der Band "Meine Angst ist größer als die Lust auf Musik“

Die Eagles Of Death Metal zurück in Paris: Am 16. Februar spielen sie das Konzert zu Ende, das Terroristen im November brutal beendet haben. Für Alexis, der den Anschlag überlebt hat, ist das kein einfacher Tag.

Von: Theresa Authaler

Stand: 15.02.2016 | Archiv

Ankündigung der Eagles of Death Metal im Bataclan Paris | Bild: picture-alliance/dpa

Als die Eagles Of Death Metal am 13. November im Bataclan spielten, war Alexis im Publikum. "Es war genial", sagt der 26-Jährige noch heute über den ersten Teil des Konzerts. Doch dann kamen die Terroristen. Sie nahmen Geiseln, schossen um sich, zwei der Attentäter sprengten sich in die Luft. Alexis lag zwei Stunden lang mit geschlossenen Augen am Boden, als um ihn herum 89 Menschen starben. Alexis hat überlebt, unverletzt. Und trotzdem ist für ihn seitdem kein Tag mehr wie davor.

Am 16. Februar, also fast genau drei Monate später, werden die Eagles Of Death Metal wieder in Paris sein. Sie wollen das Konzert vom 13. November zu Ende spielen, sagen sie. Das Bataclan ist geschlossen, deshalb findet das Konzert im Olympia statt, einem ebenfalls alten und sehr bekannten Konzertsaal. Die Band wünscht sich, dass möglichst viele Überlebende aus dem Bataclan dabei sind. Alle haben Freikarten bekommen, auch Alexis. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie es ihm inzwischen geht und mit welchem Gefühl er dem Konzert am Dienstag entgegenblickt.

PULS: Alexis, am Dienstag spielen die Eagles Of Death Metal in Paris. Wirst du hingehen?

Alexis: Ich denke, ich werde das im letzten Moment entscheiden. Ich hab meine Karte, aber ich werde es davon abhängig machen, wie ich mich fühle. Ich werde vielleicht zum Olympia, der Halle, in der sie spielen, fahren, mir die Sicherheitsvorkehrungen ansehen und schauen, wie es mir dann geht. Ob ich wirklich zum Konzert gehe, werde ich wahrscheinlich in letzter Minute entscheiden.

Wovor hast du Angst?

Das ist alles sehr schwierig für mich, weil der Konzertsaal so ähnlich aussieht wie das Bataclan. Es ist dieselbe Band, der erste Teil des Konzerts wird derselbe sein, im Publikum werden zu einem großen Teil dieselben Leute sein. Es werden extrem viele Journalisten da sein, vielleicht auch Politiker. Ich habe Angst, dass ich das nur schwer ertrage.

Drei Tage nach dem Anschlag auf das Bataclan hast du auf deinem Blog geschrieben: "Die Terroristen haben meine Liebe zur Musik getötet". Würdest du das immer noch so sagen?

Früher bin ich viel auf Konzerte gegangen, habe mir viele Platten gekauft, Musik war ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Jetzt ist das weniger so. Ich gehe nicht mehr auf Konzerte, ich habe Probleme, Musik zu hören, die ähnlich ist wie die der Eagles Of Death Metal.

Hörst du die Eagles Of Death Metal gar nicht mehr?  

Nein, das kann ich nicht mehr. Die Eagles Of Death Metal verbinde ich mit dem, was im Bataclan passiert ist. So geht es mir auch mit Konzerthallen, mit engen Räumen, das macht mir alles Angst. Nach dem Anschlag war ich kaum fähig, Musik zu hören. Jetzt geht es ein bisschen besser, ich kann langsam wieder ein bisschen die Musik hören, die ich mag. Aber die Eagles Of Death Metal, das pack ich noch nicht. Ich erinnere mich noch genau an das Konzert, es war genial… aber ich erinnere mich auch an das, was dann passiert ist. Der Anschlag hat mein Verhältnis zur Band kaputtgemacht.

Hast du dir nach dem Anschlag psychologische Hilfe gesucht?

Ja, es gibt dafür eine Organisation, die der Staat extra für die Betroffenen der Anschläge gegründet hat. Ich arbeite mit einer Psychologin zusammen. Außerdem bin ich in einem Verein aktiv, er heißt "Life For Paris". Wir sind mehrere hundert Leute, Überlebende der Anschläge und Angehörige von Opfern. Wir helfen uns gegenseitig.

Kannst du jetzt wieder ganz normal Musik hören, in der U-Bahn zum Beispiel?

Nein, ich kann nicht mit Kopfhörern U-Bahn fahren. Seit dem Anschlag muss ich alles, was um mich herum passiert, hören und sehen. Ich höre zu Hause jetzt wieder ein bisschen Musik, wenn ich es mir gemütlich mache und weiß, dass ich in Sicherheit bin. Manchmal auch im Büro. Ich habe mit eher sanften Sachen wieder angefangen. Bloß keinen Rock wie die Eagles Of Death Metal, aber klassische Musik oder ruhiger Elektro, das geht. Es geht also ganz langsam wieder, aber es ist immer noch schwierig.

Fehlt dir die Musik?

Oh ja, das alles fehlt mir total - die Musik, die Konzerte. Das ist eine riesen Veränderung in meinem Leben. Ich hab seit dem Anschlag total viele Konzerte verpasst, auf die ich gern gegangen wäre, das nervt mich natürlich. Aber meine Angst ist größer als die Lust auf Musik. Ich kann nicht ignorieren, was passiert ist. Ich muss diese Veränderung akzeptieren und Abstand nehmen zu der Musik, die ich mit dem Anschlag verbinde.

Hast du Hoffnung, dass du deine alte Liebe zur Musik wieder zurückgewinnen kannst?

Ja, ich hoffe, dass die Zeit die Wunden heilt. Es gibt auch schon positive Anzeichen. Neulich hab ich Tickets für Open-Air-Festivals gekauft, und darauf freu ich mich richtig, weil ich Festivals liebe. Sie kommt also wieder, die alte Liebe, wenn auch nur langsam.

Auf seinem Blog hat Alexis aufgeschrieben, wie er die Nacht im Bataclan erlebt hat.


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