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Brasilien, was geht? Der Frust mit dem Fußballfest

Die WM findet diesmal im Fußballland schlechthin statt. Doch kann man Lust auf eine Weltmeisterschaft haben, bei der so viel falsch läuft, so viel Geld verschwendet wird und bei der Menschenrechte auf der Strecke bleiben?

Von: Uli Knapp, Laury Reichart

Stand: 10.06.2014 | Archiv

Irgendwas läuft schief am Zuckerhut: Sonst haben wir uns immer wie wild gefreut auf die Weltmeisterschaft. Sämtliche Spiele durchgetippt, den Vorlesungsplan drei Monate vorher auf die Anstoßzeiten abgestimmt, ausgemacht, bei wem wir welche Partie begrillen und das Turnier schon mal vorab auf der Playstation gewonnen. Dieses Mal ist alles anders: Selten hielt sich die Lust auf eine Fußball-WM in so engen Grenzen, und das, obwohl das Spektakel im Fußballland schlechthin steigt.

Deswegen fragen wir "Brasilien, was geht?" und schauen, wie berechtigt der Frust mit dem Fußballfest ist. Wir wollen wissen: Was passiert an der Protestfront? Was kommt von den WM-Millionen in den Elendsvierteln, den Favelas an? Wie hat sich das Leben dort verändert, seitdem klar ist, dass die Welt auf Brasilien schaut? Und was ist überhaupt eine "befriedete" Favela? Warum geht die FIFA nur noch in Länder, in denen sie sich benehmen kann wie eine Kolonialmacht? Und wird der Fußball-Weltverband aus den Schwierigkeiten lernen, die die Turniere in Südafrika, Brasilien, Russland und Katar brachten und bringen werden? Oder wird Sepp Blatter immer einfach so weiterwurschteln?

Massenproteste in den Metropolen

Nichts Gutes prophezeit Chris Gaffney: Der promovierte Stadtentwickler und WM-Aktivist sieht Brasilien schon in einer Art Kriegszustand. 64 Proteste seien geplant, für jedes Spiel eine Aktion. Zumindest in den großen Städten werden die Menschen massenhaft auf die Straße gehen - gegen die FIFA und gegen die eigene Regierung. Allerdings sei dies abhängig vom Verhalten der Polizei - und vom Abschneiden der Seleção, der brasilianischen Fußball-mannschaft. Besondere Sorgen macht dem Fußballfan dabei die schwer bewaffnete "Nationale Eingreiftruppe".

Gewaltsam "befriedete" Favelas

Seit einiger Zeit ist die Polizei auch ständig präsent in den Favelas, den slum-artigen Armenvierteln brasilianischer Großstädte. Sonja Peteranderl ist Journalistin und hat ein halbes Jahr in der größten Favela Brasiliens gelebt. Sie erzählt, dass wir ein übertrieben einseitiges Bild von den Armenvierteln haben: Drogen und Armut sind allgegenwärtig, aber es gibt auch viel gegenseitige Hilfe. Vor ein paar Jahren hat die Regierung mit einer "Befriedungspolizei" versucht, gegen Drogenbanden und Gewalt in den Favelas vorzugehen. Das hatte einigen Erfolg, im Vorfeld der WM kippt die Stimmung gegenüber den hart durchgreifenden Polizisten aber gerade wieder.

Das Geschäft mit den Schwellenländern

Brasilien ist nicht das erste WM-Land, das der FIFA schlechte Publicity beschert: Auch in Südafrika gab es Probleme, von Russland und Katar ganz zu schweigen: Sportjournalist Philipp May erklärt, warum der Weltfußballverband immer häufiger in Schwellenländer und Scheindemokratien geht. Demnach spielen ökonomische Interessen genauso eine Rolle wie die grassierende Korruption. Die FIFA scheint aber langsam zu lernen, dass ihr die Spiele in den Schwellenländern nur Probleme bringen.


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