New York City Radio Show New York Fashion Week - Die wahren Looks liegen auf der Straße

Seinen Platz auf dem Laufsteg oder in der ersten Reihe davor zu haben, ist bei der Fashion Week längst nicht mehr das Wichtigste. Die Styles von morgen findet man auf den Bürgersteigen vor den Shows – und auf Instagram.

Von: Matthias Röckl

Stand: 10.02.2017 | Archiv

Sei es in Paris, Mailand oder New York - Fashion Week Events sind das Mekka für Street-Style-Fotografen, die aus ganzer Welt anreisen, um bei den Mode-Events die neuesten Styles einzufangen. Während die Mainstream-Fashionwelt sich um den Laufsteg versammelt, spielt sich vor den Türen der großen Venues des Street-Style-Zirkus ab. Der Bürgersteig wird zum alternativen Catwalk, auf dem Fashionistas, Social-Media-Stars und Style-Götter die heißesten Straßen-Looks präsentieren. Fotograf und Anthropologe Brent Luvaas hat sich in seinem Buch ‘Street Style - An Ethnography of Fashion Blogging’ mit der Geschichte und dem Heute der Street-Style-Blogger intensiv auseinandergesetzt.

PULS: Durch welche Phasen ist Street-Style-Blogging schon gegangen und wo liegen die Ursprünge?

Brent Luvaas: Das Genre gibt es schon eine ganze Weile. Viele sehen in Bill Cunningham, dem letztes Jahr verstorbenen "New York Times"-Style-Kolumnisten, einen der Pioniere der Street-Style-Fotografie. Die ersten Street-Style-Fotos tauchten online Anfang 2000 auf japanischen Internetseiten auf, es waren obskure und sehr individuelle Bilder aus Städten wie Tokyo. 2005 wurde in Helsinki der erste Street-Style-Blog ins Leben gerufen. Die Idee war simpel: Schau dich auf den Straßen deiner Stadt um und fotografiere interessante Leute. Aber eigentlich gibt es dieses Konzept seit den Anfängen der Fotokamera.

Doch es dauerte eine Weile, bis Street-Style-Fotografen die Fashion Week für sich entdeckten?

Erst um 2007 herum tauchten Street-Style-Blogger zum ersten Mal bei der Fashion Week auf. Viele haben festgestellt, dass es dort viel einfacher ist, interessante Leute zu treffen, statt wochenlang Zeit zu investieren, um in irgendwelchen Vierteln nach spannenden Leuten zu suchen. Außerdem gab es dort neue Perspektiven, Hobby-Fotografen bekamen die Chance, ihre Bilder an Magazine wie GQ oder Vogue Online zu verkaufen.

Über Street-Style-Blogging haben es viele Hobby-Fotografen in die  Fashionindustrie geschafft. Wieso ist man dort so an ihren Fotos interessiert?

In der Mainstream-Fashionwelt war man fasziniert von den Beobachtungen der Außenwelt und ihrer "outsider voice". Ihre Bilder galten als direkt, roh, ungeschönt und besonders "real". Echte Bilder von echten Menschen. Was "echt" bedeutet, darüber kann man sich streiten, doch die Fashionindustrie sieht darin Leute, die eigentlich nicht zu ihrem Kreis gehören.

Wie wichtig ist diese Szene von Leuten geworden, die nicht auf den Shows, sondern vor der Tür anzutreffen sind und dort ihre eigenen Looks vorführen?

Alles fing bei der New York Fashion Week damals im Lincoln Center an. Die Leute wollten plötzlich gar nicht zu den Shows, sondern draußen auf der Plaza abhängen, wo die berühmten Street-Style-Blogger mit ihren Kameras Bilder knipsten. Mit Glück schafft man es von dort auf einen wichtigen Online-Blog. Hier haben viele ihre Karriere angefangen, wie zum Beispiel Nick Wooster oder Tomy Ton. Sie gehören heute zu den Topleuten der Fashionindustrie.

Street-Style-Fotografie kann also auch zu lukrativen Jobs verhelfen. Wie mächtig ist Instagram als Plattform?

Street-Style-Fotografie gehört zu den beliebtesten Kategorien auf Instagram. Viele Street-Style-Blogger, über die ich in meinem Buch schreibe, sind inzwischen nur noch auf Instagram. Ihre Online-Blogs spielen keine Rolle mehr. Street-Style ist jetzt auf Instagram und das ist ein richtiger Game-Changer. Jetzt werden viel mehr Bilder produziert. Die Betonung liegt mehr auf Snapshots, spontanen Bildern. Posen für ein Foto ist viel weniger angesagt.

Große Fashionhäuser arbeiten jetzt mit Instagram-Fotografen zusammen, darin scheint viel Potential zu stecken.

Richtig. Und die Firmen sprechen dabei explizit  von einer Partnerschaft oder Kollaboration. Sie haben das große Geld. Durch die Partnerschaft helfen sie den Fotografen und die wiederum lenken die Aufmerksamkeit ihrer Follower auf die Kleidung der Firmen. Es werden immer wieder neue Wege gefunden, um Instagram als Promotion-Tool einzubinden.

Anhand der Smartphone-Technologie ist inzwischen jeder Handybesitzer ein potentieller Foto-Blogger. Kann man mit Street-Style-Blogging immer noch einfach Geld verdienen? Der Wettbewerb scheint mittlerweile ja gigantisch zu sein.

Vor fünf Jahren war es noch viel einfacher. Alle, die damals gut waren, haben es geschafft, eine Karriere hinzulegen. Heute ist der Markt überlaufen, doch es ist immer noch möglich. Trotzdem - die Tür, die sich den Bloggern zur Fashionwelt öffneten, scheint sich langsam wieder zu schließen.

Welche Tipps hast du für Leute, die in diesem Haifischbecken trotzdem noch mitschwimmen wollen?

Sei dir selbst treu, folge deiner eigenen Ästhetik und finde deinen eigenen Stil. Versuche niemanden zu kopieren. Es ist nicht einfach, den eigenen Stil zu entwickeln. Man muss einfach raus in die weite Welt und Fotos machen. Bei der Fashion Week zu knipsen, ist eine Möglichkeit. Ich finde es spannender, an Orte zu gehen, die nicht als Modestadt gelten. Wer dort Leute findet, die sonst keiner vor die Linse kriegt, hat einen Vorteil. Es gibt nicht den globalen Fashionstil, der überall das Straßenbild dominiert. Ich hatte das Glück, während der Arbeit an meinem Buch für Bilder nach Jakarta und Indonesien zu reisen. Wenn sie wirklich gut ist, wird Street-Style-Fotografie immer viel mehr erzählen können als ein Fashion Magazin.