Interview mit Filmemacherin Tini Tüllmann Die Frau, die den Psychothriller im Alleingang nach Bayern bringt

Diese Woche startet der Psychothriller "Freddy/Eddy" im Kino – aber nur, weil Tini Tüllmann selbst eine Produktionsfirma und einen Verleih gegründet hat. Alternativen hatte sie nicht. Denn die deutsche Filmbranche macht es Filmemachern nicht leicht.

Von: Laury Reichart

Stand: 30.01.2018 | Archiv

Freddy/Eddy | Bild: Tini Tüllmann

Der Maler Freddy (Felix Schäfer) steckt in seiner schwersten Krise. Er soll seine Frau und deren Geliebten (Robert Stadlober) brutal zusammengeschlagen haben – er kann sich aber nicht mehr daran erinnern. Jetzt muss er befürchten, das Sorgerecht für seinen Sohn zu verlieren. Er ist psychisch am Ende - und in dieser Situation taucht Eddy, sein imaginärer Freund aus Kindheitstagen wieder auf.

Eddy nistet sich bei Freddy ein, aber niemand glaubt ihm, dass er echt ist, weder sein Halbbruder noch sein Psychiater. Als er Eddy dabei beobachtet, wie er sich der neuen Nachbarin (Jessica Schwarz) und ihrer Tochter nähert, bekommt er Angst. Doch das ist erst der Anfang.

"Freddy/Eddy" ist ein eine packende Geschichte über die eigene Kontrolle über Identität, Wahrnehmung und Wirklichkeit. Wir haben mit Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin Tini Tüllmann über den Film gesprochen.

PULS: Dein Film läuft am 1. Februar an – aber nur in Bayern und in einem Kino in Berlin. Da freuen wir uns in Bayern natürlich. Aber warum läuft "Freddy/Eddy" nicht deutschlandweit an?

Tini Tüllmann: Aus dem einfachen Grund, dass ich den Film selbst ins Kino bringe. Und ich habe nicht die Mittel, um den Start von "Freddy/Eddy" in ganz Deutschland zu bewerben. Deswegen mach ich das erstmal in Bayern und Berlin.

Das ist ja ein Thema, das sich durch die ganze Entstehungsgeschichte zieht – auch wenn man das dem fertigen Film überhaupt nicht ansieht: Das Problem mit dem Geld. Eineinhalb Jahre hast du vergeblich nach einem Verleih oder einem Sender gesucht, der den Film finanzieren könnte. Warum war das so schwer?

Es lag an dem Genre Psychothriller. Deutsche Verleiher setzen wirklich nur noch auf Komödien und Kinderfilme. Weil sie da wissen, dass die zuverlässig zumindest einigermaßen funktionieren. Und dadurch, dass es mittlerweile extrem viel Konkurrenz fürs Kino gibt durch die On-Demand-Plattformen wie Netflix und Amazon, gehen die Verleihe da noch weniger Risiko ein.

Aber warum sollten Psychothriller ausgerechnet in Deutschland nicht funktionieren? Wir sind ja jetzt nicht die Super-Happy-Gesellschaft, die immer alles nur lustig finden will. Oder vielleicht doch?

Ja, keine Ahnung, vielleicht ist das ein Ausgleich, den wir brauchen? Mir wurde das nur so gesagt. Wir waren dann auch gar nicht mehr so zwingend aufs Kino aus und haben gesagt, dann machen wir eben einen Fernsehfilm draus. Aber auch die Sender sagten alle: Psychothriller? Nein, nein, viel zu anstrengend, das mag der Deutsche nicht. Der mag gern Krimis: Ein toter, drei Verdächtige, ein Kommissar und am Ende war’s einer. Aber zu überlegen, gibt’s den Typen oder nicht, das sei ihnen nach zehn Stunden Arbeit zu anstrengend.

Du hast aber so an den Film geglaubt, dass du ihn am Ende selbst finanziert hast. Geplant war er ja mit eineinhalb Millionen Euro. Wie hast du denn so viel Geld aufgetrieben?

Dummerweise gar nicht. Es waren dann nur 75.000 Euro. Aber was ich auftreiben konnte – und das ist immer noch absurd – sind extrem viele Leute, die mich unterstützt haben. Niemand hat an dem Film Geld verdient. Das sollte natürlich nicht so sein, aber ansonsten hätten wir es nicht machen können.

Dafür hast du aber einen beeindruckenden Cast zusammenbekommen: Jessica Schwarz, einen wahnsinnig gut besetzten Felix Schäfer, Robert Stadlober, Katharina Schüttler. Die sind doch alle nicht billig im wahren Leben.

Die sind nicht billig im wahren Leben, das stimmt. Ich muss aber dazu sagen, dass ich mit einigen von ihnen befreundet bin, sonst hätten sie vielleicht nicht mitgemacht, vor allem teilweise in so kleinen Rollen. Aber sie fanden das Buch gut und wollten mich unterstützen.


Warum musste es für dich denn unbedingt ein Psychothriller sein? Wenn dir eineinhalb Jahre alle sagen, das wird nicht funktionieren – andere hätten da bestimmt gesagt, dann schreib‘ ich halt so einen "Keinohrhasen" oder gehe mit meinem Drehbuch ins Ausland.

Das Ding ist, es ist ja gar nicht so einfach, so was wie "Keinohrhasen" zu schreiben und es ist einfach so gar nicht mein Metier. Und das Zweite ist, dass ja alle immer gesagt haben, sie finden die Geschichte gut, sie glauben nur nicht, dass man es verkaufen kann.

Warum war für dich der Tegernsee die richtige Location für so einen Film? Außer, dass man diese wahnsinnig geile Verfolgungsjagd auf dem Schlitten den Wallberg runter drehen konnte?

Den Bruch zwischen diesem schönen ruhigen Örtchen und den grauenhaften Sachen, die passieren, den fand ich interessant. Aber ganz ehrlich, ich hab’s hauptsächlich ausgewählt, weil meine Mutter daher kommt und ich in ihrem Elternhaus umsonst drehen konnte. Ich hab allerdings, naiv wie ich bin, nicht daran gedacht, was es kostet, das Team und die Schauspieler da unterzubringen.

Ja, ich komm ursprünglich von dort, ich weiß, dass das einer der teuersten Flecken Deutschlands ist. Siehst du es denn auch als deine Mission, den Psychothriller als Genre in Deutschland wieder aufleben zu lassen und vielleicht auch Bayern als Spielort?

Das war gar nicht so geplant, ich wollte einfach nur diesen Film machen, aber es ist ein bisschen zu meiner Mission geworden. Er ist jetzt auf extrem vielen Festivals gelaufen, hat auch mehrere Publikumspreise bekommen und die Leute fragen mich oft, wieso gibt’s sowas kaum im Kino? Dann muss ich immer sagen: Ja, das liegt nicht an uns, es gibt diese Filme, aber ihr müsst auch kommen. Es ist nicht so, als würden die gar nie im Kino laufen, aber wenn halt keiner kommt, fliegt der Film sofort wieder raus.

Sendung: Filter vom 31. Januar 2018 ab 15 Uhr